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Von der Reise

Als Jüngling las – wie rasch die Zeit entflieht! –
Von einem Dichter Chinas ich ein Lied.

Wie er in fremder Herberg' war allein
Und auf dem Boden lag der Mondenschein.

Die Stube eingehüllt in Schweigen ganz,
Nur neben ihm des weißen Lichtes Glanz.

So still, beklemmend stille ringsumher,
Dem Dichter ward ums Herz so weh, so schwer. –

Nach Jahren einst auf Reisen macht' ich halt
In fremdem Ort, stumm sah herein der Wald.

Da glitt der Mond mit einmal ins Gemach,
Im Herzen ward das alte Lied mir wach.

Die Einsamkeit ergriff mich unsagbar,
Da ward das Lied mir erst im Tiefsten klar.

In fremder Herberg' war ich da allein
Und auf dem Boden lag der Mondenschein.

Das Haus, den Wald umhüllte Schweigen ganz,
Nur neben mir des weißen Lichtes Glanz.

Und ich empfand, wie ein Gefühl, beschwingt,
Ein Band um so verschiedne Geister schlingt;

Wie über Städte, Wüsten, Länder, See'n
Zwei Seelen sich im Wiederklang verstehn.

Den Dichter Chinas bannt wohl lang der Tod,
Doch sieh, mich faßte seines Herzens Not;

Vom gleichen Weh im Aug' die Thräne stand
Und fromm im Geiste drückt' ich ihm die Hand.


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