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Ballade aus dem Dorfe

Zum Kirchhof trieb sie's fort und fort,
Nun ging sie hin, zu beten dort.

Der Totengräber, alt und grau,
Grub just ein Grab, das Arbeit gab,
Er blickt' empor und sah die Frau,
Dann grub er weiter an dem Grab.

Da, wo ein morsches Gruftkreuz stand,
Kniete sie hin an Grabes Rand,
Die Hände faltend fromm, allein
Nur Seufzer kündeten die Pein
Und auf dem Herzen lag ein Stein.

Der Gräber stand im hohlen Raum,
Und schaffte fort, man merkt' ihn kaum.
Nur manchmal sah den Spaten man,
Nach oben fliegend Schollen dann,
Dazwischen sprach der Greis ein Wort
Und grub dann wieder weiter fort.

»Es ist doch hübsch, daß ihr's noch denkt
Und her zum Grab die Schritte lenkt,
Daß vor dein zweiten Hochzeitstag
Ausweinen euer Herz sich mag.
Ob Witwe schon der Jahre sieben,
Seid ihr doch frisch und schön geblieben.«

Zur Arbeit wandt' er drauf sich wieder,
Und dumpf fiel seine Hacke nieder;
Der morsche Sarg dröhnt von den Hieben,
Es ächzt und knarrt, wie wenn gebrochen
Der Deckel wird mit starkem Streich,
Ein Krachen, aus dem Grabe gleich
Nach oben fliegen ein Paar Knochen.

»Ja, euer Mann« – so nahm das Wort
Der Gräber wieder und grub fort;
»Der war – um ihn ist wirklich schad,
Von mir ein guter Kamerad,
Ein Bursche, froh und kerngesund.«

Dumpf hieb er wieder in den Grund.

»Ich liebte ihn, sein treu Gesicht,
Gott weiß, euch mocht' er lange nicht.«

Gebeine flogen an das Licht.

Das Weib an Grabes Rand bezwang
Mit Müh' der heißen Thränen Drang,
Nicht beten konnte sie, die Pein
That sich in Seufzern kund allein
Und auf dem Herzen lag ein Stein.

»Ja, eure Hochzeit, da gings her,
Solch lustig Treiben giebt's nicht mehr.
Zwar, als ihr fuhrt am Turm vorbei,
Erhob das Käuzchen sein Geschrei,
Allein wen mochte das bekümmern!
Ihr fuhrt den Wagen fast zu Trümmern
Mit Geigen, Jauchzen und Hurra!
Ja, und so lustig wart ihr da,
Daß ihr den Toten unter Lachen
Herein warft Brot und süße Sachen,
Jawohl, das war ein Saus und Braus!«

Und wieder warf er Knochen aus.

»Allein die Toten rächten sich
Gar bitter, eh' ein Jahr verstrich.
Ich kann mir's heute noch nicht deuten,
Ich hör' nicht auf Geschwätz von Leuten,
Daß er so plötzlich ging von hinnen.
Zwar hieß es, kann mich des entsinnen,
Daß es ihn stets im Kopfe stach,
Doch Unsinn war es, was man sprach,
Ich kannt' ihn, er war kerngesund.«

Und wieder hieb er in den Grund,
Warf wieder Knochen aus dem Grabe,
Und immer stärker hieb er ein,
Als ob er Sarg hier und Gebein
Dem Teufel zu entreißen habe.

»Gott weiß, wie's zuging in dem Falle.
Ich weiß nur, was die andern alle:
Einst in der Nacht, da fiel den Mann
Das Kopfweh links so heftig an,
Daß er dahinsank, wie durchstochen –«

Und wieder flogen auf die Knochen,
Verwest und fahl, voll Moderhauch.
Und drunter war ein Schädel auch,
Drin stak ein Nagel, fest und tief,
Links stak er, rostig schon und schief.
Der kollert hin zum Weibe stumm,
Sie sah's, aufschrie sie und – sank um.

Der Totengräber sprang empor
Und donnerte ihr in das Ohr:
»Was hast du, Weib? Es geht doch nicht
Anstatt zur Hochzeit zum Gericht


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