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Die Ähren der Armen

Dieser Tag war heiß; die Walstatt
Decken tausend Moslems heute,
Heim durch der Nevada Schluchten
Führt der König seine Leute.

Über ihnen steile Berge,
Welche in den Nebel ragen,
Und sie reiten hin an Schlünden,
Wo des Maultiers Schritte zagen.

Hier und dort entlang des Weges,
Wo die Wände schroff sich neigen,
Liegen Felder eingebettet,
Des Gebirgsvolks ärmlich Eigen.

Kleine Felder, mag're Felder,
Graue Ähren zum Erbarmen –
Mit dem Volk hin jagt der König
Stürmend übers Feld der Armen.

Doch der Cid hält knapp am Abgrund
Sich auf engen steilen Pfaden,
Reitet wie auf Messers Schneide
Schnell und kühn und ohne Schaden.

Und vermeidet jede Ähre,
Die sich kärglich drängt zum Lichte,
Über Felsen, über Bäche,
Bleibt er kaum im Gleichgewichte.

Von dem Feld ruft ihm der König:
»Cid! ein Fehltritt – und vom Rande
Stürzt hinab der Schreck der Mauren,
Stürzt der Stolz dem Vaterlande.«

Und der Cid, kaum hält zurück er
Seines bittren Zorns Gebärden:
»Hält der König solche Ordnung,
Wie soll's da im Lande werden!

Um sein Leben zu bewahren,
Stampft er auf der Armen Brote,
Daß bequem der König reite,
Plagt der Bauer sich zu Tode.

Glaub' mir, König, Gott mein Zeuge
Und St. Jakob – ich erkläre
Minder wert zehn Königsleben,
Als der Armen eine Ähre.

Auf dem felsig dürren Boden
Stehn die Halme, magre, schwache –
Aber jeder schreit zum Himmel
Wider dich empor um Rache!

Reit' denn hin und sei's zur Hölle!
Hart am Rand geht meine Strecke,
Und zerschellt mein Kopf, du weißt es,
Daß der Tod mich nicht erschrecke!

Denn wer Gutes thut den Armen,
Ihrethalben trägt Gefahren,
Dem zur Seite gehn zehntausend
Lichte Engel, ihn zu wahren.

Ja, sinkt gleich der Pfad zum Abgrund,
Daß ich Weg und Halt verliere –
Machte Gott um diese Halme
Einen Aar aus meinem Tiere!«


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