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Der Prophet

Ermüdet von der Tage altem Leid,
Der Hoffnung satt, die ward zuschanden,
Des Unglücks Sklav, der Sohn der Einsamkeit,
Von allen Leuten unverstanden:

Wandt' er sich endlich ab mit grauem Haar,
Den Staub abschüttelnd seiner Schuhe,
Ging in die Wüste, bei der Sterne Schar
Zu finden seinem Weh die Ruhe.

Da wurden freund ihm Eule und Schakal,
Die Wolke eins mit seiner Träne
Und seine Klage gleich dem Wetterstrahl,
Den Stürmen griff er in die Mähne.

Er lauschte allen Tönen der Natur,
Und ihn verstanden auch die Töne,
Er las in ihnen, ihm erklangen nur
Und sangen sie in rauher Schöne.

Sein Antlitz wurde braun, bereift sein Bart,
Sein Wort scholl in die Runde,
Und er, der unter Menschen träge ward,
Riß Knorren aus dem Grunde.

Da in der Stille trat zu ihm ein Geist,
Rufend mit Machtgebrause:
»Nun ward dir das, was Einsamkeit verheißt,
Kehr nun zurück nach Hause!«

Doch stirnerunzelnd und das Aug' voll Glut
Sprach er: »Dein Wort in Ehren!
Nun hab' ich Löwenmark, hab' Kraft und Mut,
Doch den nicht – rückzukehren!«


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