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Der Begleiter

Wohin ich geh, ich weiß nicht – aber eines
Weiß ich, ein Geist geht vor mir lichten Scheines,
Sein Antlitz giebt auf dunkler Bahn mir Helle.
Ob er mich leitet zu der Heimat Schwelle,
Ich frage nicht – ich hab zu ihm Vertrauen.
Vor uns ein Abgrund – er eilt, vorzubauen,
Mein Fuß geht drüber und erfährt kein Hemmen.
Wir gehen durch den Wald; von alten Stämmen
Verlegt der Weg, er hält mich sanft zurücke
Und baut erst über'n Gießbach mir die Brücke.
Da liegt das Meer; den Mantel läßt er fliegen,
Und während Strahlen ihm das Haupt umschmiegen,
Trägt er wie Faust mich über alle Wogen. –
Nacht war's; wir waren in den Wald gezogen,
Da grasten still zwei Rehe und vom Sumpfe
Her zogen Schatten, traurige und dumpfe.
Ich sprach zu ihm: »Sag, wo wir hingelangen?
Aus Baum und Dickicht blickt hier Nacht und Bangen,
Sieh wie die Gräser meinen Fuß umspinnen,
Und ach, kein Gott wohnt mir im Herzen drinnen.
Drin ist es leer, wie wenn in weiter Wüste
Umsonst ich auf den Morgen warten müßte.
Sei du mein Gott und sprich im Donnergrimme!« –
Er lächelte und sprach mit milder Stimme:
»Kennst du mich nicht? Ich wohn' in allen Herzen,
Mit Beten ruft mich, wer da ringt in Schmerzen.
Doch vor dem Dichter in der Wolke schreite
Ich selbst den Pfad, geb ihm das Lied der Saite
Als Honig und den Thau, daß er ihn kühle –
Als Gott in dir, glüh' ich mit dir und fühle,
Und ich verließ nur deiner Seele Stätte,
Daß drin mehr Raum die ewige Schönheit hätte!«

*

Wohin ich geh, ich weiß nicht, doch ich zage,
Daß ich im Herzen ein Geheimes trage,
Das Kraft verleiht, selbst ohne Gott zu leben –
Und Ahnung zieht durch mich mit leisem Beben.


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