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Ghazi

So steht er fest, im Angesicht den Mut,
Ein Fels die Brust, sein Aug' blickt in die Runde
Und strahlt von seines Geistes Feuerglut.

Ein Fetzen deckt die Stirn, geknüpft zum Bunde,
Der Nacken bloß, die Sehnen Stricken gleich,
Die Lippen offen an dem trock'nen Munde.

Zum letztenmal, soweit sein Auge reich',
Darf er noch schauen seiner Heimat Stätten –
Allein des Todes Drohn macht ihn nicht bleich.

Die Sonn' erhellt des Leutnants Epauletten,
Die Bajonette, der Gewehre Rohr,
Die schon bereit, zu Tode ihn zu betten;

Streift die Soldaten, die nun treten vor,
Streift sein Gesicht, Verachtung bietend allen,
Dann birgt sie sich vor Scham im Wolkenflor:

Sechs Schüsse blitzen auf. Er ist gefallen.

*

So mit dem Trotz im Auge, das vernichtet,
Bracht' eine Zeitung ihn und drunter: »So
Ward Ghazi, der Fanatiker, gerichtet«.

Die abgebrauchte Phrase! Nirgendwo
Verfehlt sie ihren Zweck in unsrer Zeit,
Sie wirft den Kot nach allem Großen roh.

Allein der Geist, der den Gedanken weiht,
Die heilige Überzeugung, die die Glieder
Des Schächers rein macht von Verworfenheit,

Und Seherschwung auf Judas schickt hernieder –
Die ward nicht totgemacht mit seinem Tod,
Ein Phönix, steigt sie aus den Flammen wieder.

Nun sagt mir, wer vom Fanatismus loht,
Ob der Barbar, der schützt die Heimat nur,
Ob der Gebildete, der hart bedroht

Des Landes Ruh und seiner Sagen Spur
Verwischen will, mit Pulver herzutragen
Zu diesem Volk der Räuber die Kultur?

Der Hund, der alle Knochen will benagen,
Der Krämer, der da hinter Baumwollballen
Die Tugend lügt, die Bibel aufgeschlagen?

Der ein Gesetz der Freiheit kündet allen
Und geht ans Ziel durch Blut, und, helfen nicht
Kanonen, kommt, mit Fuchslist einzufallen?

O Menschlichkeit! o Recht, o Weltgericht!


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