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Amen Hotep

Auf den kühlen Fliesen ruhend Tag und Nächte,
Träumt er im Palaste, rings die Welt in Grau,
Keine Frauenhand ist, die Erquickung brächte,
Auf die heißen Lippen fällt kein Tropfen Tau.

An den harten Marmor seine Stirne schlagend.
Ächzt er auf zuweilen wie ein wunder Ur,
Nach der Decke oben, Drachenhäupter tragend,
Wunderlich Getier, blickt stumpfen Augs er nur.

Und ihm scheint, Anubis höhnt ihn mit Gebelle
Und der Schrei des Ibis wie Gelächter hallt.
Und der Tod ist lauernd lange schon zur Stelle,
Wie die Sphynx am Tore – und er matt und alt.

Müd der Kämpfe, müde seines Ruhms, des Türmens
Seiner Pyramiden, endlos ausgedehnt,
Frieden! fleht die Seele, satt des wilden Stürmens,
Und verwünscht die Ruhe, die sie sich ersehnt.

Das Vergehn steht vor ihm wie ein Fels im Wege,
Dran im Stoß der Wagen jäh zusammenkracht,
Heiß sein Aug, und heftig gehn des Herzens Schläge,
Und sein Geist sinkt nieder in des Abgrunds Nacht.

»Mutter!« ruft er seufzend, »laß mich nicht vergehen!
Wo im See der Lotos leuchtet weit und breit,
Baut' ich lange Jahre – wolle sie doch sehen! –
Meine Steinkolosse für die Ewigkeit!

Unter ihnen einer, Angesicht und Glieder
Sind mir nachgebildet, ragend aus Granit,
Dort zur ewigen Ruhe leg ich einst mich nieder,
Und so lang das Bild dort aufragt, leb ich mit.

Doch, du große Mutter, wer kann mir verbürgen,
Daß mein Werk die Zeiten wirklich überlebt?
Daß nicht Kot und Schutt es einst in Schlamm erwürgen,
Daß des Wetters Groll nicht es in Staub begräbt?

Ob, ich seh den Blitz schon aus den Wolken schlagen,
Und im stolzen Antlitz bleibt ein Riß darin,
Geh an meinen Füßen still die Wellen nagen
Und im Wind verwittern Schienbein mir und Kinn.

Ach, ich seh's und leide! Was bleibt von den Siegen,
Von den Bauten allen, die so stolz geprahlt?
Schilf sind wir und Schatten, die vorüberfliegen
An der Zelte Leinwand, so die Sonne strahlt!«

Also klagt' und seufzt' er – doch ihm Trost zu spenden,
Mut, die hohe Mutter, aus den Wolken kam:
»Fürchte dich, mein Sohn, nicht, nicht wird alles enden,
Aus dem Herzen scheuche Trübsinn fort und Gram!

Nein, kein großes Streben wird in nichts verschwinden,
Und es leben ewig du und dein Koloß,
Wirst dich in der Menschheit immer blühend finden
Als der stillen blauen Lotose Genoß.

Selber will ich jede Nacht herniedersteigen,
Auf dem Schoß dir sitzen, dienen dir als Schild,
Will dem Wind und Wetter andre Wege zeigen
Und den Blitz auffangen, der vielleicht dir gilt.

Selber will ich breiten jede Nacht die Flügel
Über dich, mein Sohn, denn Größe war dein Ziel!
Leite ab des Regens Güsse, lege Zügel
An dein Donner, Bienen summen so im Spiel.

So in deinem Steinbild ewig wirst du dauern,
Mag der Kleingeist immer üben seinen Hohn,
Schakal und Hyäne wird vergeblich lauern
Und der Elemente Zorn umsonst dir drohn.

Groß wirst du so leben bis in alle Fernen
Über dieser kleinen Welt, bedeckt vom Sand,
Zwiesprach mit mir führen droben in den Sternen
Und ihr ewiger Tau kühlt deiner Lippe Brand.

Und so wirst du leben, wie die Zeit verwehe,
In des Mondes Schimmer, in der Sonne Lust:
Deine Mutter ich, in ewiger Jugend stehe
Auf dem Schoß dir, lehnend mich an deine Brust!«


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