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Schwanenmärchen

Das Schloß am Usk, wie aus Krystall gehauen,
Sah es hinaus in trübe Winternacht,
Ein Feentraum, der eingewebt dem grauen
Gewölk, erstrahlend von des Silbers Pracht:
Das that der Schnee, im Mondlicht hell zu schauen,
Der selbst am Thor bedeckt der Drachen Wacht,
Und nur die Fenster sah man rötlich flimmern
Und weithin leuchten von des Herdes Schimmern.

Und da hier Stämme lohten in der Glut
Und zog der Harzduft nieder von der Decke,
Sank dichter Schnee auf Cornwalls Forst und Flut,
Und Mann und Hund verloren ganz die Strecke.
Der Wind pfiff draußen, hier war froher Mut,
Der Becher ging bei Scherzen und Genecke,
Aus Spitzen strahlt' der Nacken holder Schönen
Und Pagensang erscholl und Hörnertönen.

Der dritte Monat ist nun schon vergangen,
Seit sie verschüttet leben hier im Schnee,
Und Tag und Nacht – es hilft kein Flehn und Bangen –
Peitscht er die Fenster ungestüm und zäh.
Doch weiter blühn der Frauen Rosenwangen,
Der Ritter Blick glüht heißer noch als je,
Seit sie bei Spiel, bei Scherz und frohem Singen,
Vom Zwang vereint, hier Tag und Nacht verbringen.

Im Stuhl, gehüllt in eine Bärenhaut,
Lehnt König Artus mit bereiftem Kinne,
Mordred am Tisch (dem er zu lang vertraut),
Bemüht, wie er Ginevras Herz umspinne,
Merlin, in einer Fensternische, schaut,
Wie in den Schnee des Mondes Schimmer rinne,
Erek, der blonde Iwein sehn gemach
Helenen und Violanten zu beim Schach.

Der Sänger singt sein Lied zum zehntenmale,
Im Herde stirbt der mächt'gen Flamme Schein,
Gleich Sternen glänzen rings die Goldpokale,
Und nieder schwebt seltsamer Schatten Reihn.
Kühner wird Mordreds Wort, mit hellem Strahle
Blickt durch das Fenster jetzt der Mond herein,
Der auf des Schlosses Bau sein Silber gießt
Und auch den weißen Bart Merlins umfließt.

»Sind wir verwünscht hier bis zum jüngsten Tag?«
Spricht Artus wie im Traum zu den Genossen.
»Das Eis hält fest den Fluß, ein Donnerschlag
Kann lösen nur das Band, das ihn umschlossen.
Leblos der Baum, die Blüten all im Hag –
Ich sehne mich, wann wird der Frühling sprossen?
Ich möchte jagen in dem Wald, dem dunkeln,
Sehn durch die Nacht des Luchses Augen funkeln.« –

»Mir bangt nach Kämpfen,« hub mit festem Ton
Erek das Wort, »nach Fährden und nach Mühen!« –
»Ich spielte Laute unter dem Balkon
Und ließe süß der Liebe Worte blühen!«
So dachte Iwein, doch er schwieg. Die Frohn
Der Minne ließ zuhöchst sein Herz erglühen,
Von Burg zu Burg schien ihm das beste Leben
Und immer neuem Ideal ergeben.

Merlin nickt ernst dazu. »Vergeblich ist
Hier jeder Zauber,« spricht er sacht zum Greise.
»Zu raten ist hier schwer, es kommt die Frist,
Ihr Weben müssen wir erwarten weise.
Der Frühling naht von selber, nicht durch List« –
Auf Mordred fiel sein Blick, der heimlich leise
Ginevrens Gürtel rührte im Verlangen –
»Es bleibt uns nichts, als dankbar ihn empfangen.« –

»Und wie der Lenz, so ist die Liebe – bricht
Sie selbst nicht an, dem Zwange wird sie schweigen.
Ein wahres Glück, kennt Trug und Lug sie nicht,
Als Himmelsgabe muß sie niedersteigen.
Im Herzen weich' der Winter erst dem Licht,
Dann wird der Schwäne weißer Zug sich zeigen,
Der Lerchen Lied drin einziehn voller Lust –
Den Lenz hat jeder in der eignen Brust.«

So sprach der Seher streng, die Stimme schwoll,
Wie wenn die Stürme durch die Wälder ziehn,
Aufatmete Ginevra tief und voll,
Stand auf von Mordred, seinen Bann zu fliehn,
Vom Auge heimlich eine Thräne quoll,
Im Schein des Feuers leuchtend als Rubin,
Zu Artus dann, und neigte sich zur Erde
Und sah empor mit flehender Gebärde.

Verwandelt alles flugs! Die unterm Tische
Vertraut berührt der Herrin Füßchen hatten,
Sie fühlten, daß die Schuld der Lust sich mische
Und wichen schweigend in des Vorhangs Schatten.
Merlin trat näher jetzt zur Fensternische:
»O seht, der Nebel weicht schon von den Matten,
Es siegt der Tag, nun füllet die Pokale,
Der Frühling kommt im goldnen Morgenstrahle!«

»Hört ihr es donnern schon? Es bricht das Eis,
O seht die Schwäne, die den Fluß beleben,
Der Nebelflor sinkt von den Fluren leis,
Die Welle rollt, von Perlen Schaums umgeben;
Der reinen Liebe wird allein der Preis,
Seht ihren Thron, geführt von Schwänen, schweben,
Die Schwäne, mächtiger als Donner, wecken
Das Leben wieder unter Eisesdecken!«

Zum Fenster eilen alle. Welche Lust!
Im Purpur rings die Welt, im wunderklaren,
Im Schwanenwagen, überdeckt vom Blust,
Kommt nun die heil'ge Liebe hergefahren!
Ginevra neigt sich an des Königs Brust
Und birgt die Thrän' in seinen grauen Haaren;
»Vergieb,« so seufzt sie, »kann noch Milde sein
In deinem Herzen, dein bin ich und rein!«

Ein Schattenbild, schleicht Mordred aus dem Saale,
Die Becher füllen nun die Wohlgemuten,
Die Sonne blickt herab mit goldnem Strahle
Und sendet in das Aug' so volle Gluten,
Daß aller Haupt sich senkt mit einem Male,
Und jeder fühlt den Lenz im Herzen fluten –
Und als sie aufschaun, ist der Spuk verflogen,
Die erste Lerche singt am Himmelsbogen!


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