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Abendgespräche

Hernieder sank der Abend,
Allmählich still und leis,
Am Gartenduft sich labend,
Saß da der Mönche Kreis.

Sie saßen schweigend beisammen,
Und wie so der Tag entglitt,
Lag licht des Abendrots Flammen
Auf ihrem dunklen Habit.

Vom Turm scholl ehernen Schlages
Die Stunde, der Abt drauf sprach:
»Und wieder der Schluß eines Tages,
Das klingt so süß mir nach.

»Gern hör ich, tönt in die Runde
Die Glocke, ernst und geweiht,
Den Vorhang hebt die Stunde
Von der großen Ewigkeit.«

Nun kam die Rede ins Fließen,
Und Bruder Bruno begann:
»Wenn des Klosters Thore sich schließen,
Und die Welt liegt hinter mir dann –

»Ihr Knarren tönt mir so helle,
Wie keine andre Musik,
Mit Engeln betret' ich die Zelle,
Zufrieden mit meinem Geschick.«

Und Bruder Gilbert wieder:
»Mich freut's, wenn fessellos
In Orgel- und Kirchenlieder
Fährt heulend des Sturmes Stoß.«

Und Bruder Fulgenz: »Gepränge
Und Festschall freut mich zumeist,
Wenn Jubelmusik und die Menge
Den Abt willkommen heißt.«

Und Bruder Simon: »Klopfen
Fühl' höher ich das Herz,
Fliegt aus der Flasche der Pfropfen
Und trägt mich himmelwärts.«

Und Norbert mit bleichen Wangen,
Wie von einem Traum umweht:
»Mich nahm der Wind gefangen,
Der über die Gräber geht.«

Ein Noviz, erst jüngst gekommen,
Stand still am Baum und sann,
Welch Eden er vernommen,
Vertraut' er niemand an.

Er hatte gehört – und ein Schauer
Hat ihn durchzuckt dabei,
Wie hinter der Klostermauer
Geküßt sich der Lippen zwei.

Und Nacht ward's völlig, drinnen
Im Dome strahlte Licht.
Der Abt unterbrach sein Sinnen:
»Zur Vesper! Säumen wir nicht!«


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