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Brot

Durch der Halme wogend Meer
Geh ich wiederum nach Jahren,
Heißer Erdhauch um mich her
Weht und spielt in meinen Haaren.

Wie der Hauch mich so umloht,
Alle Poren nimmt zu eigen,
Fühl' ich schon das künft'ge Brot
Duftend aus der Erde steigen.

Ewigen Stoffes Blüte liegt
Mit dem Korn in dunkler Erde,
Und der Hauch, der schaffend fliegt,
Weckt drin hundertfältig Werde.

Unser Hirn und unser Blut,
Unser Schweiß und unser Mühen,
Sehnsuchtsdrang und Zornesmut,
Unser Haß und Liebeglühen.

Unsrer Kinder Scherz und Spiel,
Auf der Mutter Schoß ihr Klagen,
Alles Strebens Zweck und Ziel,
Drum wir schwere Arbeit tragen.

Der Gesellschaft Kitt und Band,
Und ihr Damm, der Umsturz wendet,
Das Symbol, das Gottes Hand
Einst gesegnet und gespendet.

Süß und bitter, weckt's die That,
Weckt es frevlerischen Willen,
Führt empor der Menschheit Pfad
Und zerschmettert die Bastillen.

Erst vom Hochmut noch verstreut
Für den Troß und für die Hunde,
Eint es, naß von Thränen, heut
Menschen eng zum Bruderbunde.

Alles ist das Brot: erhellt
Kann im Tiefsten ich's erkennen,
Da ich sinnend geh' durchs Feld
Und die Strahlen niederbrennen.

Dies der Mutter Erde Sang:
»Bin ich schön! So lang im Schoße
Mir noch Leben sprießt, so lang
Bin ich Ceres noch, die große.«

»Höllenpein und Freudenfest,
Was da kommt, was schwand im Tode,
Aus dem Staub, der Väter Rest,
Bau ich's, schlicht ich's mit dem Brote.«

Während so die Tropfen schwer
Meinen Schläfen sich entringen,
Hör' ich aus der Halme Meer
Ernst das Lied der Menschheit klingen.


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