Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

An den Mond

Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht,
Gieb, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle,
Hör' meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht,
Pokal des Friedens, neig' dich meiner Seele!

Leucht', bleicher Mond in schlafumfangne Hütten,
Mit Feenhand rühr' an die Stirn den Kindern,
Geh', Silber auf der Armen Bett zu schütten
Und jenen, die da krank, den Schmerz zu lindern.
Wer in Verzweiflung sitzt auf seinem Lager,
Weil stumm die Sphinx auf seiner Fragen Dringen,
Mit deinem Licht erhelle du den Frager,
Daß Ruhe ihn umweh' mit holden Schwingen!

Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht,
Gieb, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle,
Hör' meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht,
Pokal des Friedens neig' dich meiner Seele!

Legt einer wo sich auf die Schienen nieder,
Laß deinen Strahl die Seele ihm umschweben,
Und aus der Schlucht des Unheils reich' ihm wieder
Den Ariadnefaden in das Leben;
Späht nach dem Opfer in des Waldes Schweigen
Ein Sohn der Not, spiel' auf der blanken Waffe,
Daß ihm die Jugend wieder auf mag steigen
Und neu die Lieb' in seinem Herzen schaffe!

Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht,
Gieb, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle,
Hör' meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht,
Pokal des Friedens, neig' dich meiner Seele!

Und giebt ein hungernd Mädchen preis die Tugend,
Dann leuchte auf die Schönheit ihres Leibes,
Führ' ihr zurück die Träume ihrer Jugend,
Zeig ihr den Stolz der Mutter und des Weibes;
Schaut auf zu dir ein Dichter, der im Geize
Nach Ehre fleht, nur Schönheit mög' sein Los sein,
Sag' ihm: Es hat auch diese Erde Reize,
Und besser ist's im Leben gut, als groß sein!

Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht,
Gieb, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle,
Hör' meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht,
Pokal des Friedens, neig' dich meiner Seele!

Wo Liebende sich aneinander schmiegen,
Die Lippe, was das Herz ersehnt, gefunden,
Wo auf zum Paradies die Thore fliegen
Und vom Entzücken jeder Laut gebunden,
Wo sein Idol der Künstler ganz umfangen,
Und Leben fühlt Pygmalion im Blocke –
Da birg du deines Lilienlichtes Prangen
Mild unter des Gewölkes dunkler Glocke!

Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht,
Gieb, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle,
Hör' meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht,
Pokal des Friedens, neig' dich meiner Seele!


 << zurück weiter >>