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Im Norden

Im Norden irgend oben, an verlaßnem Strande
War Zeuge ich – der Tag ging langsam schon zu Rande –
Wie einen sie begruben, den das weite Meer
Hierhergetrieben an das Land, Gott weiß, woher.

Nur Fraun und Kinder sah man – draußen auf der Flut
Kämpfen ums Brot die Männer mit der Wellen Wut.
Ein alter Geistlicher spricht ein Paar Worte sacht
Am Grab des Fremden, den die Brandung hergebracht.

»O unbekannter Bruder, den das Meer verschlug,
Nur eine Scholle bleibt dir, für deine Ruh genug,
Wir fragen nicht, woher du kamst, was du erstrebtest,
Nicht, welchen Stammes du, nicht, welchem Gott du lebtest,
Wir sehn nur deinen kalten Leib, stumm und beklemmt,
Den her vom Pol vielleicht die Welle angeschwemmt,
Den sie gejagt, gerollt, geschleppt in wildem Schießen –
Oh, Gott alleine weiß, wo um dich Tränen fließen!«

Er schloß, und nieder fielen dumpf die schweren Schollen
Aufs Grab des Fremden, den gebracht des Meeres Rollen,
Und Schatten zogen her, die rings die Welt umschließen;
Oh, Gott alleine weiß, wo um dich Tränen fließen!

Und still ging ich von dannen, in die Ferne fort,
Und trug im Herzen mit des Sprechers Abschiedswort.
Ich fühlte tiefe Trauer sich ins Herz ergießen –
Oh, Gott allein weiß, wo um mich einst Tränen fließen!


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