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Ex voto

Verlaßne Mädchen legten einst ihr Haar
Als Opfer nieder vor dem Gottessohne,
Sie brachtens still und ohne Klage dar,
Entsagend ruhig ihrer Schönheit Krone.

Und Christi Antlitz, bleich und blutbefleckt,
Siehst du noch heut' in gotischen Domen hangen,
Wie es, von goldnem Frauenhaar bedeckt,
Zum Herzen spricht mit noch viel tieferm Bangen.

Die Haare, die geschaffen sind, das Weib
Dicht zu umwallen in beglückter Stunde,
Hier kränzen sie den abgehärmten Leib
Und fließen über Dorn und blutige Wunde.

O welcher Opfermut, welch Wunder das!
Der Mädchen Haar auf Gottes Antlitz sendet
Sein Licht in finstre Zeit – mein Aug' wird naß,
Denk' ich der Liebe, die so innig spendet!

Denn wie die Mädchen, durch der Liebe Hauch
Unsterblich, ihrem Gotte hingegeben
Das Teuerste, so treu und innig auch
Hat meinem trüben Herzen, öden Leben

Im Liebesopfer sich mein Weib geweiht.
So glüht nun in mein Dunkel ihre Helle,
Ein Wunder traun: sowie verklärt im Leid,
Strahlt Christi Antlitz durch des Haares Welle.


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