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Zwei Lieder für meine Tochter

1. Frühlingslied.

Sieh, Mila, braune Knospen zeigen
Sich schon an dem Kastanienbaum
Und Gänseblümchen stehn im Reigen
Vereint auf einer Scholle Raum.

Die Schwalben tummeln ihr Gefieder,
Und auch die Störche säumen nicht,
Gleich ist bei uns der Frühling wieder;
Fühlst du? er weht dir ins Gesicht.

Er trägt den Duft auf seinen Schwingen,
Er schüttet ihn auf Feld und Wald,
Im Käfig will die Drossel singen,
Und auch des Kuckucks Ruf erschallt.

Und überall giebt's Glanz und Schimmer;
Wie reich die Sonne spenden mag,
Das Licht, die Freude endet nimmer,
Und Sonntag ist ein jeder Tag.

Das wird ein Spielen sein und Hetzen
In der Allee, im Hof daheim,
In meine Träume tönt dein Schwätzen,
Dein Lachen klingt in meinen Reim.

Da giebt es wieder Ball und Reifen
Und frohen Wettsprung immerzu,
Und um den Schmetterling zu greifen,
Gönnt sich dein Füßchen keine Ruh'.

Es blitzt der Pfad in hellem Zuge,
Ein Blumenmeer ist jeder Baum,
Der Falter eine Blüt' im Fluge,
Die Blüt' ein Schmetterling im Traum.

Dann werd' ich still am Fenster stehen,
Ins Blau verliert mein Auge sich,
Und fröhlich und zufrieden sehen:
Das alles ist, mein Kind für dich!

 

2. Herbstlied.

Sieh, Mila, die Kastanien springen!
Du kannst ihr goldnes Herz schon sehn,
Wie's sucht das Pelzlein zu durchdringen.
Den Turm umschwirren schwarze Kräh'n.

Gerötet sind der Äpfel Wangen,
Die Leitern sind schon auch bereit,
Die Trauben blau herniederhangen,
Gleich ist sie da, die Winterszeit.

Jetzt giebt es Birnen, golden schwebend,
Die süßen Pflaumen häufen sich,
Der letzte Falter grüßt dich bebend
Vom silberhaarigen Wegerich.

Nun kommt das winterliche Wetter,
Die Staare ziehn mit Lärm und Schrei'n,
Und in dem Rascheln welker Blätter
Durchschreitet still die Nacht den Hain.

Nun in die Stadt! Es braucht kein Reden,
Du selbst bist ungeduldig schon;
Geschlossen sehn wir bald die Läden,
Entführt von hier uns der Waggon.

Sie schließen sich wie müde Lider,
Sucht auf der Mensch den stillen Pfühl;
Im Wald und in dem Thale wieder
Wird's windig sein und wieder kühl.

Da wirst du erst gefallen lassen
Ein Buch dir, Abends still am Herd,
Wenn Nebel lagert auf den Gassen
Und klingelnd hin die Tramway fährt.

Zu Füßen wird der Hund dir liegen,
Sein Aug' blickt seelenvoll dich an,
Dann werden Kopf an Kopf wir schmiegen
Und doppelt uns genießen dann.


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