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Am Wege

Es war in der Allee im Bad.
Ein Bursch saß am Weg im Schatten grad.
Die Mutter beim ersten Sonnenstrahl
Sandt' ihn hinaus, zu erbetteln ein Mahl.
Nun sitzt er unter dem Baume still
Mit offener Hand, wie's die Mutter will.
Vorbei gehn Damen und Herrn elegant,
Doch fällt kein Heller in seine Hand.
Der Tag ist heiß, die Sonne glüht,
Der Knabe wird vom Warten müd',
Er sinkt zurück und schlummert ein.
Der Schatten folgt dem Sonnenschein
Und verläßt die Stirn des schlafenden Knaben,
Der daliegt in dem Straßengraben
Im zerrissnen Kleid, von Schweiß bedeckt,
Wie der Kampf ums Dasein ihn hingestreckt.
Und nur die Hand, die er offen hält,
Vergeblich hält nach ein wenig Geld,
Verkündet sein ganzes Ungemach.
So liegt sie da, gestreckt und flach,
Und wie sie bebt vom Atmen, klagt
Sie deutlicher, als ein Wort es sagt,
Von jeder Thräne, die stille floß,
Von jedem Scheltwort, das ihn verdroß,
Von all den Schlägen, die er litt,
Kam er nach Haus und brachte nichts mit.
Im Traume hört er die Mutter schmälen,
Im Traume fühlt er ängstlich das Quälen
Von Herzeleid und was ärger – vom Hunger.
Allein vergeblich, du Dulder, du junger!
Die Herren und Damen beachten ihn nicht,
Die Wagen rollen vorüber dicht,
Und keiner, den das Mitleid bannt
Mit der ausgestreckten Kinderhand.
In die Bäder, zu Reunionen
Eilen vorbei die hohen Personen,
Die Musik schallt herüber, doch allein
Bleibt der Knabe im Sonnenschein,
Bloßfüßig, staubig, von Schweiß bedeckt,
Wie der Kampf ums Dasein ihn hingestreckt,
Gewendet die Hand zum Wege offen,
Die kein fühlender Blick getroffen.

Wundert euch nicht, hat er nach Jahren
Das Meer des Elends ganz durchfahren,
Wenn einmal er dann im Dunkel spät
Mit geballter Faust am Kreuzweg steht!


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