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Vorwärtsschauen, nicht trauern und klagen

Rede über den Oberschlesischen Hilfsbund. Berlin, 10.9.1922

Zu einer ernsten Feierstunde sind wir hier zusammengekommen. Wir wollen Oberschlesiens gedenken, des Landes, das, ein Wahrzeichen deutscher Kultur und deutschen Fleißes, fest eingefügt in das politische und wirtschaftliche Leben des Reiches, gebend und nehmend, wuchs und blühte; des Landes, das die letzten Jahre hindurch aus tausend Wunden bluten, von einem Aufstand nach dem anderen heimgesucht werden mußte, um nun durch landfremden Spruch zerrissen zu sein.

Wir haben wertvollste Teile des Landes hingeben und blutenden Herzens sehen müssen, daß die neue Grenzlinie mitten durch den unteilbaren, unzertrennbaren Industriebezirk gezogen wurde. Ein organisches Ganzes ist zerschnitten. Unersetzliche Werte sind uns genommen. Der überwiegende Teil des Volkes hat sich trotz aller Hemmungen, Drohungen und Gefahren für das Verbleiben beim Mutterlande klar und deutlich ausgesprochen. Ohne Rücksicht auf die Stimme des Volkes und auf unsere unablässigen Hinweise auf Recht und Vernunft ist die Entscheidung gefallen.

In langwierigen Verhandlungen haben wir uns mit Polen auseinanderzusetzen gesucht mit dem Bestreben, im Interesse des ganzen oberschlesischen Landes und seiner deutschen Bevölkerung die durch die Grenzführung zerrissenen Fäden soweit wie möglich wieder zu knüpfen und ein dauerndes Siechtum, einen dauernden Verfall des wunden Körpers zu hindern. Vor allem aber hatten wir die Pflicht, rechtliche Grundlagen für die Erhaltung der deutschen Sprache und deutschen Kultur im abgetrennten Gebiet zu schaffen.

Wehen Herzens haben wir Abschied genommen von unseren deutschen Brüdern, die nun einem fremden Staate angehören, und haben ihnen in der Trennungsstunde zugerufen, daß uns, die wir eines Blutes, einer Sprache, einer Gesittung sind, niemand das Gefühl nehmen kann, daß wir auf immer mit ihnen kulturell verbunden sind und ewig bleiben werden. Was wir für unsere Brüder jenseits der neuen Grenze, im Rahmen unserer vertraglichen Rechte und Pflichten, tun können, werden wir tun. Wir haben im Angesicht der ganzen Welt Verwahrung eingelegt gegen die Vergewaltigung dieses Landes, diese Verwahrung wird in unserer Geschichte fortleben. Die rauchenden Schlote und Essen, die Bergwerke und Fabriken, die einer regsamen, fleißigen, rastlos vorwärtsstrebenden Bevölkerung Arbeit und Lohn gaben, werden immer zeugen für das, was deutsche Tatkraft dem Lande gegeben hat. Diese deutsche Schaffenskraft ist nicht zu zerstören; sie hat Oberschlesien ihren Stempel aufgedrückt in alle Zukunft.

So gedenken wir heute, schmerzbewegt, aber im Bewußtsein unseres ewigen, unverjährbaren Rechts, dieser Wunde, die uns geschlagen ist; wir werden sie niemals vergessen!

Nun aber wollen wir vorwärts schauen! Nicht müßig trauern und klagen ziemt uns in dem harten Daseinskampfe unseres Volkes. Die Not der Stunde treibt uns weiter. Mit allen Kräften wollen wir helfen und fördern, wollen wir wieder aufbauen. Oberschlesien, das so viel um Deutschland und um das Deutschtum gelitten hat, darf unsere besondere Fürsorge erwarten und kann ihrer gewiß sein.

Dankbar sind wir für das Vertrauen, das die Provinz uns entgegenbringt, und das am vergangenen Sonntag so eindrucksvoll bekräftigt ist durch das Ergebnis der Volksabstimmung. Frei und unbeeinflußt hat der deutsch verbliebene Teil Oberschlesiens nochmals seine Treue und Anhänglichkeit an Preußen, mit dem es groß geworden ist, bekundet. An uns ist es, diese Treue mit Treue zu vergelten. Schwer ist der Kampf, den das Land um sein wirtschaftliches und kulturelles Bestehen zu kämpfen hat. Die in den letzten Jahren durch die Aufstände und durch die Teilung erlittenen Schicksalsschläge, die Einstellung und Umstellung auf die neuen Lebensmöglichkeiten verlangen zähe Arbeit und große Opfer. Geholfen werden muß denen, die, von Haus und Hof vertrieben, von ihrer Arbeitsstätte verdrängt, eine neue Heimat suchen. Schwer hat Oberschlesien auch zu ringen, um sein Deutschtum zu bewahren gegen fremde, mit reichen Mitteln ausgestattete Werbearbeit. Hiergegen die deutsche Kultur in Oberschlesien zu schützen und zu fördern, ist Sache des ganzen deutschen Volkes.

Diese großen Aufgaben hat sich insonderheit der Oberschlesische Hilfsbund gestellt. Er umfaßt alle Kreise und Schichten unseres Volkes. In engster Verbindung mit den Regierungs- und Verwaltungsbehörden, den kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Organen will er planmäßig Wiederaufbauarbeit leisten und die ihm zufließenden Spenden gerecht und zweckmäßig verteilen. Der Oberschlesische Hilfsbund appelliert an das gesamte deutsche Volk. Ich bin überzeugt, daß sein Ruf nicht ungehört verhallen und daß er willige Herzen und Hände finden wird. Zeigen wir auch jetzt wieder dem Lande Oberschlesien und der Welt, daß die Not des deutschen Volkes alle seine Glieder nur enger verbindet und zusammenschweißt.

In freudiger Arbeit, in gegenseitigem Helfen und Verstehen wollen wir uns aus schwerer Not emporringen, als ein einiges und freies Volk!


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