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Frieden, Freiheit und Brot!

Rede in einer Volksversammlung. 8.12.1918

Die imposante Kundgebung liefert uns den Beweis, daß das schaffende Berlin, daß die Arbeiterschaft in ihrer übergroßen Mehrheit der sturmerprobten Fahne der alten sozialdemokratischen Partei Folge geleistet hat. Wir haben heute morgen dreizehn überfüllte Volksversammlungen abgehalten. Die Versammlungen konnten den Zustrom nicht fassen. Vielfach mußten Parallelversammlungen abgehalten werden und dennoch mußten Tausende umkehren, weil sie keinen Platz fanden.

In allen Versammlungen haben wir mit aller Klarheit und Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, was wir wollen. Wir wollen Frieden, Freiheit und Brot! Gelingt es uns nicht, den in den nächsten Tagen ablaufenden Waffenstillstand zu verlängern, gelingt es uns nicht, zu Ruhe und Ordnung zu kommen, dann sind die Erfolge der Revolution verloren. Deshalb ist es unsere erste Aufgabe, die Forderungen der Demokratie restlos zur Geltung zu bringen. Die Meinungs- und Gewissensfreiheit sind die Grundpfeiler der neuen Ordnung. Mit ihnen stehen und fallen die Erfolge der Revolution. Gewalt bedeutet immer Reaktion! Wir haben die alten Tyrannen verjagt, die mit dem Fluch des Unglücks belastet sind, das über uns gekommen ist. Die alten Tyrannen werden vom Tode nicht wieder auferstehen. Jeden Versuch, das alte System wieder einzuführen, werden wir niederkämpfen. Wir werden aber auch jede neue Gewaltherrschaft bekämpfen, die verhindern will, daß das Volk sein Geschick selbst bestimmt. Täglich verteilen die Anhänger der Gewaltpolitik Waffen, täglich lassen sie den Ruf erschallen, die Regierung mit Gewalt zu bekämpfen. Wir werden dieses mit äußerster Entschlossenheit bekämpfen. Wir wollen keine Regierung der Gewalt, unsere Legitimation soll einzig und allein der Wille des Volkes sein.

Solange das Volk nicht in freier Wahl seinen Willen bekundet hat, ist die neue Regierung nur ein Provisorium. Deshalb müssen wir schleunigst zur konstituierenden Nationalversammlung kommen. Der Sieg der Revolution kann nur gesichert werden durch die auf Grund demokratischer Wahlen von Männern und Frauen berufene Konstituante. Ich habe zu dem politischen Urteil des Volkes volles Vertrauen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß der Wahltag zur Nationalversammlung aller Welt glatt zeigt, daß die fünfzigjährige Erziehungsarbeit der deutschen Sozialdemokratie ihre Gedankenwelt zum Gemeingut der ganzen Nation gemacht hat. Die Freiheit muß gesichert werden! Es ist doch wahrlich genug des Mordens, genug des vergossenen Blutes. Soll nun, nachdem die deutsche Arbeiterschaft die Macht errungen hat, noch weiter Blut fließen? Nein! und abermals Nein!

Die Sicherheit im Innern ist die Bedingung dafür, daß es uns gelingt, Arbeit und Brot zu schaffen. Den Frieden nach innen und außen festzulegen, der Arbeitswille, Verantwortlichkeitsbewußtsein und Solidarität sind die Grundlagen, auf der allein wir leben können. Ohne dies ist der Sieg der Revolution verloren. Deshalb fordere ich Sie auf, Arbeiter, Soldaten, Genossen, scharen Sie sich fester um uns, unterstützen Sie uns in unserem schweren und opfervollen Kampf um die Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens, und um uns nach schmerz- und entbehrungsreichen Jahren den Frieden zu bringen. Jeder Versuch, diese Erfolge zu erschüttern und in Gefahr zu bringen, wird unseren entschlossenen Widerstand herausfordern. Deshalb lassen wir den Ruf erschallen: Es lebe die Freiheit, die Demokratie, die Nationalversammlung und die alte deutsche Sozialdemokratie!


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