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Zur Teilung Oberschlesiens

18.7.1922

Begrüßung der Gemischten Kommission in Oberschlesien.

Sie, Herr Präsident, und die anderen Mitglieder der Gemischten Kommission haben ein großes, verantwortungsvolles Amt übernommen. Nach dem Genfer Abkommen hat die Gemischte Kommission über viele wichtige, ich darf wohl sagen, für Oberschlesien vitale Fragen zu entscheiden. Ihre Stimme, Herr Präsident, wird bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedern der Kommission den Ausschlag geben. Damit ist Ihnen eine besondere Fülle von Macht in die Hände gelegt worden.

Sie, Herr Präsident, sind uns seit langem kein Fremder mehr. Als Bundesrat und Bundespräsident der befreundeten Schweizerischen Nachbarrepublik haben wir Sie kennengelernt, und als Vorsitzender der deutsch-polnischen Verhandlungen über Oberschlesien sind Sie uns persönlich nähergetreten.

Dabei haben Sie uns gezeigt, welch hohe Auffassung Sie von Ihren Pflichten haben. Sie wußten, daß es unrecht sei, über das Wohl und Wehe eines Landes vom grünen Tisch aus zu entscheiden. Sie haben die Notwendigkeit empfunden, Oberschlesien aus eigener Anschauung kennenzulernen und mit Oberschlesiern aller Stände, aller Berufe und deutscher und polnischer Zunge zu reden, und haben deshalb die Mühe nicht gescheut, mit Ihren Mitarbeitern nach Oberschlesien zu reisen. Umsomehr waren wir überzeugt, daß Ihr Stichentscheid gerecht und unparteiisch sein würde. Ihr Stichentscheid ist nicht notwendig geworden; aber Ihre Leitung der Verhandlungen, Ihre gerechte, stets versöhnende und besänftigende Haltung hat das Zustandekommen der Verständigung wesentlich erleichtert.

Wir begrüßen Sie deshalb voller Vertrauen als Präsidenten der Gemischten Kommission, voller Vertrauen darauf, daß Sie Ihr neues, hohes Amt selbstlos und unparteiisch als freier Richter, der nur seinem Gewissen Rechenschaft schuldig ist, verwalten werden.

In langer Arbeit haben wir aus Oberschlesien ein reiches, blühendes Kulturland gemacht. Zahllose Fäden verbinden Bergbau, Industrie und Landwirtschaft miteinander und haben Oberschlesien zu einem wirtschaftlichen Ganzen gemacht. Das harte Schicksal, das unser Volk traf, hat eine Änderung dieses Zustandes bestimmt. Durch Entscheidung der Alliierten Mächte ist die Grenze mitten durch die oberschlesischen Lande gezogen.

Wir sind fest entschlossen, alles zu tun, um Oberschlesien, soweit es noch zu Deutschland gehört, weiter zu entwickeln und ihm nach langer, schwerer Zeit Frieden, Ruhe und Ordnung wiederzugeben. Wir hoffen, daß auch Polen das reiche oberschlesische Land, das wir ihm blutenden Herzens abtreten mußten, weiterentwickeln und ihm Frieden, Ruhe und Ordnung wiedergeben wird.


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