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Von Innerlichkeit, Gemüt und Phantasie

Rede. Kiel, 4.9.1922

Wir erlebten in mitfühlender Sorge während der letzten Jahre, wie Kiel, vordem der Mittelpunkt der Reichsmarine und mit dieser und ihren Werken eng verwachsen, durch den für uns alle grausamen Friedensvertrag besonders schwer betroffen wurde und besonders hart litt. Wir waren aber auch Zeugen des festen Willens und des tatkräftigen Strebens der Verwaltung und aller schaffenden Kräfte der Stadt, den Niedergang aufzuhalten, das Zusammengebrochene in neuen Formen wiederaufzubauen und das wirtschaftliche Leben Kiels in neue Bahnen zu leiten. Verständnis und Mithilfe des Reichs und des preußischen Staates haben Sie hierbei bisher begleitet, und ich bin überzeugt, daß bei all den zahlreichen eigenen Sorgen und Nöten des Reichs und Preußens Ihre Arbeit bei uns wie der preußischen Staatsregierung auch künftig Rücksicht und Förderung finden wird.

In Ihrer Arbeit für die wirtschaftliche Zukunft Kiels haben Sie in dankenswerter Weise nicht vergessen, auch des geistigen Lebens der Stadt in der ganzen Nordmark Ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden; Sie sind mit kluger Hingabe bestrebt, auch aus dem reichen Schatze unserer Kultur Steine zum deutschen Aufbau zusammenzutragen und aus den Wirren der Zeit alle Schichten der Bevölkerung zu diesem dem ganzen Volke gemeinsamen geistigen Besitz in Gemeinschaft hinzuführen. Diesem schönen Gedanken dient heute in dritter Wiederkehr die Kieler Herbstwoche für Kunst und Wissenschaft; Sie haben Ihre künstlerischen und theatralischen Darbietungen diesmal vorwiegend in den Dienst der Romantik gestellt und damit in unsere Zeit der Maschinen, der äußerlichen Leistung, des materiellen Genusses und einer harten Wirklichkeit die Kunst eines Zeitalters der zarten Innerlichkeit, des subjektiven Gemüts und der schwärmerischen Phantasie gestellt. Ein starker Gegensatz und doch so berechtigt: Wir bedürfen gerade heute nach der harten Arbeit des Tages der ruhigen Stimmung des Abends, des Sichselbstbesinnens, des Innenlebens; wir müssen uns gerade in der Not der Zeit mehr auf das Gemüt und auf das reiche Leben unserer Kunst, auf die unermeßlichen Schätze unserer Kultur besinnen. Das Bewußtsein des Mitbesitzes dieser Kultur der Nation, der Teilhaftigkeit an den geistigen Schätzen Deutschlands ist eine der dauerhaftesten Grundlagen des Gemeinschaftsgeistes und der Einigkeit, die wir mehr als alles brauchen.


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