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Die Durchdringung des politischen und geistigen Lebens

Ansprache bei einer Geselligkeit im Hause Ebert. 6.4.1922

Ich möchte diesen Abend nicht vorübergehen lassen, ohne Ihnen meine Freude und meinen Dank dafür auszusprechen, daß so viele hervorragende Vertreter des geistigen Deutschlands sich hier in diesem Hause zusammengefunden haben. Besonders herzlichen Dank – und hier spreche ich sicherlich in Ihrer aller Namen – darf ich aber den beiden Herren aussprechen, die durch die Darbietungen ihres hohen Könnens uns hier Herz und Sinn erfreut haben, Exzellenz von Harnack, dessen meisterhafte und geistvolle Darlegung uns eine ferne Zeitströmung so klar veranschaulichte, und Herrn Professor Ansorge, dessen kunstvolles Spiel in klangvollen Tönen zu unserem Innersten sprach. Nehmen Sie beide den Ausdruck unserer allerherzlichsten Dankbarkeit entgegen.

Daß der heutige Abend mehr ist als eine gesellschaftliche Zusammenkunft, zeigen schon diese hohen Gaben der Wissenschaft und der Kunst, die uns hier beschert wurden. Unser Beisammensein hier hat die Vertreter unseres geistigen und des politischen Lebens zusammengeführt zum freien persönlichen Austausch der Gedanken, zum Sich-Kennen- und Sich-Verstehenlernen, und das Zusammengehen der geistigen und der staatlichen Faktoren unseres Volkes zu fördern. Daß gute und rege Beziehungen zwischen dem politischen und dem geistigen Leben jeder Nation die Wohlfahrt des Staats nur heben können, ist stets anerkannt worden; in ganz besonderem Maße ist aber gerade in unserem Vaterlande in den schweren Zeiten dieses Drucks von außen und dieser Not von innen eine enge und wechselseitige Fühlung des geistigen und des politischen Lebens der Nation unentbehrlich. Der Staat darf trotz aller seiner Nöte und der Bedrängnisse nicht vergessen, welche starken Wurzeln aller staatlichen Kraft in der Wissenschaft und der Kunst des Volkes ruhen, und muß alles in seinen Kräften liegende tun, um Wissenschaft und Kunst nicht verkümmern zu lassen und ihrer Not zu steuern; ebenso müssen aber auf der anderen Seite alle die mannigfachen Zweige des geistigen und künstlerischen Lebens in bewußter Beziehung zum Staate bleiben, der das Volkstum verkörpert, aus dessen reicher Tiefe auch das geistige Leben seine Kräfte schöpft. Unterschiede der Weltanschauung und der politischen Richtung dürfen niemals dazu führen, daß politisches und geistiges Leben eines Volkes sich voneinander loslösen und jedes für sich fern vom andern ein Sonderdasein führt, beide gehören zusammen zu einer Gemeinschaft der Arbeit und des Strebens, um aus der seelischen und leiblichen Not dieser schweren Zeit die Kraft zum Durchkommen und die Hoffnung auf ein besseres Schicksal zu gewinnen. Nur die gemeinsame und sich verstehende Arbeit aller schaffenden Kräfte unseres Volkes, der arbeitenden und der geistig führenden, der Wirtschaft und der Wissenschaft, kann uns eine Wiedererstarkung und einen Wiederaufbau Deutschlands verbürgen.


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