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128. An Malwida von Meysenbug.

Nizza, 13. Dez. 1886.
Pension de Genève
Petite rue St.-Etienne.

Verehrteste Freundin,

Ihre liebenswürdige Absicht, mir schreiben zu wollen, hat mich in Gestalt einer grünen Karte erreicht: sie hatte dazu den Sprung von Genua nach Nizza zu machen. Es ist mein vierter Winter an diesem Orte, mein siebenter an dieser Küste: so will es meine ebenso dumme als anspruchsvolle Gesundheit, auf die böse zu sein gerade jetzt wieder die Anlässe zu häufig sind. Nizza und Engadin: aus diesem Zirkeltanze darf ich altes Pferd immer noch nicht heraus. –

Zum mindesten darf ich nicht in jene wärmeren Länder, wohin ich jetzt sehr gelockt werde: jeder Brief aus Paraguay enthält Künste der Verführung. Aber umsonst! – ich weiß zu gut, daß mich die Kälte verwöhnt hat (denn mein Kunststück, um die letzten 10 Jahre durchzubringen, bestand in dem Sich-auf-Eis-legen; ein kleiner milder Januar, ungefähr für das ganze Jahr durchgeführt, Nordzimmer, blaue Hände, nichts von Ofen, eiskalte Gedanken – ah, davon brauche ich Ihnen nicht zu. schreiben?! –). – Meine Tischnachbarin sagte neulich, in diesem Betrachte, meine Nähe verursache ihr Schnupfen. –

Hoffentlich finden Sie in Rom genug von Liebe und Freundschaft vor, um die Abreise von Versailles einigermaßen zu verwinden. Von Minghettis Tode habe sogar ich gehört. –

Hier ist die Saison sehr im Gange und Glanze, die letzte, wie man überall hört und fühlt, die letzte Saison vor »dem Kriege«. Man ist früher hier eingetroffen als je; ich selbst war unter den Frühesten. Auch die Kälte hat sich beeilt: vielleicht wird der Winter sehr kurz, und schon der Februar bringt den Frühling! Sicherlich kann es keine schönere Jahreszeit für Nizza geben als die jetzige: der Himmel blendend weiß,, das Meer tropisch blau, des Nachts ein Mondlicht, daß die Gaslaternen sich schämen und rot werden: und darin laufe ich nun wieder herum, wie schon so viele Male, und denke meine schwarze Art Gedanken aus ...

Treulich Ihr alter sehr vereinsiedelter Freund

F. N.


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