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81. An Erwin Rohde.

Basel, Juni 1878.

So ists recht und schön, liebster Freund: wir zusammen stehen doch noch nicht auf einem tönernen Gestell, das ein Buch gleich umwerfen möchte.

Ich warte diesmal in Ruhe ab, wie die Wellen, in denen meine armen Freunde herumplätschern, sich allmählich legen: habe ich sie in diese Wellen hineingestoßen – lebensgefährlich ists nicht, das weiß ich aus Erfahrung; und wenns freundschaftsgefährlich hier und da sein sollte – nun, so wollen wir der Wahrheit dienen und sagen: »wir liebten bisher aneinander eine Wolke«.

Vieles wäre zu sagen: noch mehr Unsägliches dabei zu denken: im Scherz sei nur der Vergleich gewagt, daß ich einem Manne gleiche, der eine große Mahlzeit veranstaltet und dem angesichts aller guten Speisen die Gäste davonlaufen. Wenn da einer oder der andre wenigstens einige Bissen sich schmecken läßt (wie Du, lieber, guter, den Graecis die Ehre antust), so ist besagter Mann darüber schon sehr erbaut.

Grüble nicht über die Entstehung eines solchen Buches nach, sondern fahre fort, dies und jenes Dir herauszulangen. Vielleicht kommt dann auch einmal die Stunde, wo Du mit Deiner schönen konstruktiven Phantasie das Ganze als Ganzes schaust und an dem größten Glücke, das ich bisher genoß, teilnehmen kannst.

Beiläufig: suche nur immer mich in meinem Buche und nicht Freund Rée. Ich bin stolz darauf, dessen herrliche Eigenschaften und Ziele entdeckt zu haben, aber auf die Konzeption meiner » Philosophia in nuce« hat er nicht den allergeringsten Einfluß gehabt: diese war fertig und zu einem guten Teile dem Papier anvertraut, als ich im Herbste 1876 seine nähere Bekanntschaft machte. Wir fanden einander auf gleicher Stufe vor: der Genuß unserer Gespräche war grenzenlos, der Vorteil gewiß sehr groß, auf beiden Seiten (so daß Rée mit liebevoller Übertreibung mir in sein Buch [Ursprung der moralischen Empfindungen] schrieb »dem Vater dieser Schrift dankbarst deren Mutter«).

Dadurch erscheine ich Dir vielleicht noch fremdartiger, unbegreiflicher? Fühltest Du nur, was ich jetzt fühle, seitdem ich mein Lebensideal endlich aufgestellt habe – die frische, reine Höhenluft, die milde Wärme um mich – Du würdest Dich sehr, sehr Deines Freundes freuen können. Und es kommt auch der Tag.

Von ganzem Herzen
Dein F.

Meine liebe Schwester grüßt von Herzen. Weißt Du schon, daß sie in zwei Wochen nach Naumburg zurückkehrt?


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