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56. An die Mutter.

Basel, 21. Sept. 1875.

Meine liebe gute Mutter, so ist denn unsre gute Tante dahin, »so ist denn unsere gute Tante dahin«, Nietzsches Tante väterlicherseits Friederike (Riekchen) Dächsel. und wir sind wieder einsamer. Alt werden und einsam werden scheint dasselbe, und ganz zuletzt ist man wieder nur mit sich zusammen und macht andre durch unsern Tod einsam.

Gerade weil ich wenig von meinem Vater weiß und ihn mir mehr aus gelegentlichen Erzählungen erraten muß, waren mir seine nächsten Anverwandten mehr, als sonst Tanten zu sein pflegen. Ich freue mich, wenn ich an Tante Riekchen, wie an die Plauenschen usw. denke, daß sie alle eine sonderliche Natur bis in ein hohes Alter festhielten und in sich Halt hatten, um weniger von außen her und von dem so zweifelhaften Wohlwollen der Menschen abzuhängen: ich freue mich dessen, weil ich darin die Rasse-Eigenschaft derer, die Nietzsche heißen, finde und sie selbst habe.

Deshalb war die gute Tante mir immer auf das freundlichste gewogen, weil sie es fühlte, wie wir in einer Hauptsache verwandt waren, nämlich eben in der Nietzscheschen Hauptsache. Und so ehre ich denn ihr Angedenken, indem ich von Herzen begehre, wenn ich alt werden sollte, wenigstens nicht von mir selber, das heißt von dem Geiste meiner Väter abzufallen.

Erwarte jetzt, meine liebe vielgeplagte, weil vielhelfende Mutter, nichts mehr von mir und denke gerne

an Deinen Sohn
Friedrich Nietzsche.


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