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45. An Freiherrn von Gersdorff.

Basel, 4. Februar 1872.

Mein lieber Freund,

wieder nur ein paar Zeilen, voll des herzlichsten Dankes für Deine Mitteilungen, die mich aus schweren Besorgnissen befreiten oder wenigstens fast befreiten. Inzwischen habe ich auch ein Telegramm gelesen »der Alexandriner Gersdorff ist unentbehrlich geworden«, »Der Alexandriner Gersdorff«, dies scherzhafte Telegramm Wagners bezog sich nur darauf, daß Gersdorff in Berlin in der Alexandrinenstraße wohnte. das ich mir nicht ganz, aber doch fast ganz deuten kann. Was Du auch tun magst – denke daran, daß wir beide mit berufen sind, an einer Kulturbewegung unter den Ersten zu kämpfen und zu arbeiten, welche vielleicht in der nächsten Generation, vielleicht noch später der größeren Masse sich mitteilt. Dies sei unser Stolz, dies ermutige uns: im übrigen habe ich den Glauben, daß wir nicht geboren sind glücklich zu sein, sondern unsere Pflicht zu tun; und wir wollen uns segnen, wenn wir wissen, wo unsere Pflicht ist.

Meinem Buche wird es doch schwer, sich zu verbreiten: eine ausgezeichnete Anzeige, die Rohde für das »Literarische Zentralblatt« gemacht hatte, ist von der Redaktion zurückgewiesen worden. Das war die letzte Möglichkeit, daß eine ernste Stimme in einem wissenschaftlichen Blatte sich für mein Buch erklärte: jetzt erwarte ich nichts – oder Bosheiten oder Albernheiten ... Aber ich rechne auf einen stillen, langsamen Gang – durch die Jahrhunderte, wie ich Dir mit der größten Überzeugung ausspreche. Denn gewisse ewige Dinge sind hier zum ersten Male ausgesprochen: das muß weiterklingen. Um mich selbst bin ich unbesorgt: denn ich will nichts für mich, am wenigsten eine Karriere zu machen. Jetzt arbeite ich heiter an meinen pädagogischen Problemen. »pädagogische Probleme«, die schon mehrfach erwähnten Vorträge »über die Zukunft unserer Bildungsanstalten«, die am 16. Januar, 6. und 27. Februar, 5. und 23. März 1872 öffentlich in der Aula des Museums in Basel gehalten wurden. Für die Osterferien bin ich sehr gebeten, mit einem Professor im benachbarten Freiburg (Baden) nach Athen, Naxos und Kreta zu reisen: was sagst Du dazu! Besonders wenn Du hörst, wer es ist – der Sohn von Felix Mendelssohn-Bartholdy –. Nun, ich werde Nein! sagen. Ich erlebe immer etwas Kurioses. Den ersten Brief eines Philologen »erste Brief eines Philologen«, der des Prof. Herm. Hagen, abgedruckt in Biogr. II S. 71. (Professor an der Universität Bern) über mein Buch, den ich fast nicht kenne, lege ich bei: gelegentlich schickst Du mir den Brief zurück.

An Deinen verehrungswürdigen Vater die besten Empfehlungen und den Ausdruck meiner Freude über seine Teilnahme.

Behalt mich lieb und habe Dank! Dank!

Dein Friedr. Nietzsche.

Sonntag, 4. Februar 72.


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