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43. An Erwin Rohde.

Basel, 28. Januar 1872.

Mein guter lieber Freund,

neulich habe ich einmal eine vorläufige Anfrage, ob ich eine Professur in Greifswald annehmen würde, durch Susemihl bekommen, aber sofort, zu Deinen Gunsten und Dich empfehlend, abgelehnt. Ist die Sache in einem weiteren Stadium? Ich habe an Ribbeck verwiesen. – Hier war die Sache doch bekannt geworden und hat mir eine große Sympathie bei den guten Baselern erweckt. Obwohl ich protestierte, daß es kein Ruf sei, sondern nur eine ganz vorläufige Anfrage, hat mir doch die Studentenschaft einen Fackelzug beschlossen, und zwar mit der Motivation, daß sie damit ausdrücken wolle, wie sehr sie meine bisherige Tätigkeit in Basel schätze und ehre. Übrigens habe ich den Fackelzug abgelehnt. – Hier halte ich jetzt Vorträge »über die Zukunft unsrer Bildungsanstalten« und habe es bis zur »Sensation«, hier und da zum Enthusiasmus gebracht. Warum leben wir nicht beieinander! Denn was ich jetzt alles auf dem Herzen trage und für die Zukunft vorbereite, ist in Briefen auch nicht einmal zu berühren. – Ich habe mit Wagner eine Allianz geschlossen. Du kannst Dir gar nicht denken, wie nah wir uns jetzt stehen und wie unsre Pläne sich berühren. – Was ich über mein Buch habe hören müssen, ist ganz unglaubwürdig: weshalb ich auch darüber nichts schreibe. – Was denkst Du darüber? Ein ungeheurer Ernst erfaßt mich bei allem, was ich darüber vernehme, weil ich in solchen Stimmen die Zukunft dessen, was ich vorhabe, errate. Dieses Leben wird noch sehr schwer.

In Leipzig soll wieder Erbitterung herrschen. Niemand schreibt mir von dort ein Wörtchen. Auch Ritschl nicht.

Mein guter Freund, irgendwann müssen wir wieder miteinander leben; es ist heilige Notwendigkeit. Ich lebe seit einiger Zeit in einem großen Strome: fast jeder Tag bringt etwas Erstaunliches; wie auch meine Ziele und Absichten sich erheben. – Ich kündige Dir, ganz verschwiegen und zur Verschwiegenheit auffordernd, an, daß ich unter anderem ein Promemoria über die Straßburger Universität, als Interpellation bei dem Reichsrat, zu Händen Bismarcks vorbereite: worin ich zeigen will, wie schmählich man einen ungeheuren Moment versäumt hat, um eine wirkliche deutsche Bildungsanstalt, zur Regeneration des deutschen Geistes und zur Vernichtung der bisherigen sogenannten »Kultur«, zu gründen. – Kampf aufs Messer! Oder auf Kanonen!

Der reitende Artillerist, mit
schwerstem Geschütz.

Basel, Sonntag, Jan. 1872.


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