Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Prolog zur Friedensfeier.

Den 22. März 1871.

            Nun hallen fern des Krieges Donner aus,
Und heimwärts zieht, den Helm mit Laub bekränzt,
Mit weh'nden Fahnen unser glorreich Heer,
Das Volk in Waffen, das durch sieben Monde
Für seinen heil'gen Herd und Deutschlands Recht
Auf fremdem Grund gerungen und gesiegt.
Dem blut'gen Winter folgt ein goldner Lenz,
Und hold im Frühlingssäuseln naht der Friede.

O sei gegrüßt, du langersehnter Tag,
Der endlich von der schwerbedrückten Brust
Die Sorge nimmt und alles Leid versühnt!
Mit frommen Dankgebeten feiern dich
Die Gauen nah und fern, und tausendstimmig
Durch Flur und Gassen braust die Freude fort.
Und wo am stillen Herd um ihre Toten
Verwaiste Liebe trauert, heute fließt
Die Träne sanfter; denn das teure Blut
Ward nicht umsonst verströmt und köstlich ist,
So wie das Opfer war, der Siegespreis.

Denn gleich dem Phönix, der aus Feuerflammen
Verjüngt sich aufschwingt, stieg das Vaterland
Aus dieses Krieges Läutrungsglut empor,
Und alles Leben dünkt uns froh verwandelt.
Wir glaubten schwach uns und wir wurden stark,
Mißachtet waren wir und stehn geehrt,
Wir waren uneins und sind eins geworden.
Des Maines Schranke fiel, die Hände reichen
Sich Nord und Süden jauchzend über ihm,
Durch deutsches Land nur braust der Rhein dahin,
Und festgegründet steht vom Fels zum Meer
Das neue Reich als eine Burg des Friedens,
Und um die Zinnen kreist des Kaisers Aar.

Da kommt ein Geist getroster Zuversicht
Auf alles Volk, und wieder froh bestellt
Gedeiht der Flur, des Weinstocks goldner Segen,
Und rasch zur Sichel wandelt sich das Schwert.
Und in den Städten schwillt die Lebenswoge
Und mit dem Mut verdoppelt sich der Fleiß.
Die Werkstatt dröhnt, es raucht der hohe Schlot,
Der Markt hebt an zu wimmeln, rings heran
Auf Eisenschienen donnert der Verkehr
Und mit der fernsten Zonen Fracht beladen
Zum Hafen drängt sich wimpelnd Schiff an Schiff.
Und wie sich jede Kraft zum Dienst des Ganzen
In treuer Arbeit froh geschäftig regt,
Beginnt aufs neue, von den heil'gen Wettern
Der großen Zeit geläutert und gereift,
Der deutsche Geist sein hohes Tagewerk.
In Kirch' und Staat, in Wissenschaft und Kunst
Erlöst vom Bann des Fremden sucht er sich
Die eigne Bahn und schafft sich selbst die Form.
Die Satzung heimatlosen Priestertums
Durchbricht der Denker, daß sich Glauben wieder
Und Leben sühne; freudig ziehn die Boten
Des Reichs dahin, um auf dem Fels der Macht
Der Freiheit Haus in Treuen auszubaun;
Der Jünger Klios schreibt entzückt die Taten
Der Helden auf, der Bildner feiert sie
In Erz und Farben und der Dichter grüßt
Mit Preisgesang den auferstandnen Kaiser.

Den auferstandnen? – Nein – Die Majestät
Des alten Reiches, die zur Weltherrschaft
Roms Salböl weihte, ist dahin auf ewig,
Und das Begrabne wecken wir nicht auf.
Der Kaiser, dem wir heut entgegenjubeln,
Der Zollernheld, der Deutschlands Krone trägt,
Hat andres Ziel, als seiner Herrschaft Stuhl
Auf unterworfnen Völkern aufzurichten,
All seine Kraft gehört dem Vaterland.
Wohl führt auch er das Schwert – die Welt erfuhr's –,
Doch nur zur Abwehr fremden Übermuts,
Wohl will auch er ein Mehrer sein des Reichs,
Doch nur an allem Segenswerk des Friedens,
An Wohlfahrt, Freiheit und Gerechtigkeit,
Und wenn die Stirn ihm gleich von Lorbeern rauscht
Wie keinem noch: die fromme Palme deucht
Ihm köstlicher, als aller Ruhm der Schlechten
Und seines Volkes Glück sein bestes Teil.
Heil König Wilhelm! Unserm Kaiser Heil!

 


 


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