Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Gesicht im Walde.

        Ich hatte mich verirrt im tiefsten Wald,
Schwarz war die Nacht, unheimlich troff der Regen,
Der Sturm ging in den Wipfeln wild und kalt.

Da sah ich plötzlich unfern meinen Wegen
Durchs feuchte Laub blutrote Funken sprühn,
Und Hammerschläge dröhnten mir entgegen.

Durch Dornen und durch Buschwerk drang ich kühn,
Und bald gewahrt' ich, rings vom Wald umfangen,
In hoher Hall' ein Schmiedesfeuer glühn.

Drei Riesen waren's, die die Hämmer schwangen,
Berußt, die Augen nur aufs Werk gekehrt,
Dazu sie schauerliche Weisen sangen.

Sie schmiedeten an einem großen Schwert,
Zweischneidig war's, der Griff als Kreuz gestaltet,
Die Kling' ein Strahl, der züngelnd niederfährt.

Und einer sang in Tönen, fast veraltet,
Doch also tief, wie wenn emporgeschwellt
Der mächt'ge Hauch in dumpfer Orgel waltet:

»Es rührt im Birnbaum auf dem Walserfeld
Sich schon der Saft, und seinem Volk zum Heile
Erscheinen wird der langersehnte Held.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Das Schwert, das Königsschwert muß fertig sein,
Und unser Werk hat Eile, Eile, Eile!«

Er schwieg, und singend fiel der zweite ein
Mit einer Stimm', als wollt' er aus den Grüften
Mit Erzposaunenschall die Toten schrein:

»Es hat zu Nacht gedonnert in den Klüften
Des alten Bergs, den man Kyffhäuser heißt,
Und einen Adler sah ich in den Lüften.

Wie Sturmesrauschen klingt es, wenn er kreist,
In seinen Fängen trägt er Blitzeskeile,
Die Rabenbrut entflieht, wo er sich weist.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Zur rechten Stunde sei das Werk getan;
Das Kreuzesschwert hat Eile, Eile, Eile!«

Und tief einfallend hub der dritte an,
Das scholl, wie unterird'sche Donner grollen,
Wenn sich die Lava rühret im Vulkan:

»Die Zeit ist schwanger; aus den dürren Schollen
Wird eisern aufgehn eine Kriegersaat,
Sein rotes Banner wird der Kampf entrollen.

Drum schreiten hohe Geister früh und spat
Durchs deutsche Land und pochen an die Türen
Und mahnen laut: der Tag des Schicksals naht!

Viel eitles Blendwerk wird der Feind erküren,
Mit Lächeln locken, dräun mit Blitzgeschoß,
O lasse keiner dann sein Herz verführen!

Denn Füße nur von Ton hat der Koloß,
Und stürzen wird er über kurze Weile,
Im Fall begrabend seiner Knechte Troß.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Ihr Bälge blast, ihr Funken sprüht empor!
Das Schwert des Siegs hat Eile, Eile, Eile!«

So sangen sie. Dann schwieg der dumpfe Chor,
In kaltem Schauer bebten meine Glieder,
Doch wagt' ich nicht mich in der Halle Tor.

Zurück ins schwarze Dickicht floh ich wieder,
Und sah verlöschen bald der Flamme Licht,
Nur bang im Haupt noch summten mir die Lieder.

Kaum weiß ich jetzt, war's Traumbild, war's Gesicht?
Doch mahnt es, daß auch wir das Schwert bereiten,
Das Schwert des Geistes, welches nie zerbricht.

Wachet und betet! Schwer sind diese Zeiten.

 


 


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