Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Ländliche Lieder.

1. Frühling.
        Und wenn die Primel schneeweiß blickt
Am Bach, am Bach auf dem Wiesengrund,
Und wenn vom Baum die Kirschblüt' nickt
Und die Vögelein pfeifen im Wald allstund:
Da flickt der Fischer das Netz in Ruh,
Denn der See liegt heiter im Sonnenglanz,
Da sucht das Mädel die roten Schuh,
Und schnürt das Mieder sich eng zum Tanz,
Und denket still,
Ob der Liebste, der Liebste nicht kommen will.

Es klingt die Fiedel, es brummt der Baß,
Der Dorfschulz sitzt im Schank beim Wein;
Die Tänzer drehn sich ohn' Unterlaß
An der Lind', an der Lind', im Abendschein.
Und geht's nach Haus um Mitternacht,
Glühwürmchen trägt das Laternchen vor,
Da küsset der Bube sein Dirnel sacht,
Und sagt ihr leis ein Wörtchen ins Ohr,
Und sie denken beid':
O du fröhliche, selige Maienzeit!

 
2. Winter.
              Nun weht aus der Heide der scharfe Nordost,
Am Vordach hangt der Zapfen von Eis,
Die Tannen schütteln sich rings vor Frost
Und Feld und Kirchhof sind silberweiß.
Im Dorf verschneit liegt jeglicher Pfad,
Ein Weg nur führet zur Schenke allein,
Und geh' ich dort grade des Abends spat,
So tret' ich hinein;
O mein Käthchen, mein Mädchen, nun bringe mir Wein!

O liebes Käthchen, nun sing mir ein Lied
Von der sonnigen, wonnigen Frühlingszeit!
Und wenn erst wieder die Schwalbe zieht,
Dann sollst du schauen, wie hold sich's freit.
Und wenn aufs neu der Winter sich naht,
Da schiert kein Wind uns von Ost und von West;
Am lodernden Herd sitzen wir spat
Im traulichen Nest,
Und küssen uns warm und umschlingen uns fest.

 


 


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