Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Der Einsiedler.

        Wie ward mir das Gewühle
Der Welt doch gar zur Last!
Es rauscht der Wald so kühle,
Und lockt zu süßer Rast.
Fahrt wohl denn, ihr Beschwerden,
Fahr wohl, o Lust der Erden!
Ein Siedler will ich werden,
Der Wildnis stiller Gast.

Mein Wams von Purpursammet,
Ich muß dich von mir tun:
Mein Schwert, hast ausgeflammet,
Ein Grabscheit wirst du nun.
Fleuch auf, mein Falk, mit Schalle!
Trab heim, mein Roß, zum Stalle!
Der Goldsporn bricht, ich walle
Fortan auf Sandelschuhn.

Ich will ein Haus mir bauen
Hier zwischen Eich' und Tann'
Ans Stämmen unbehauen
Mit Moos und Flechten dran:
Ein Kreuzlein will ich schneiden
Aus jenen Hängeweiden,
Und mich in Felle kleiden,
Wie weiland Sankt Johann.

Im hohlen Baum die Waben,
Sie reichen Honig dar;
Nach Wurzeln kann ich graben
Die längste Zeit im Jahr;
Und dort von fels'ger Schwelle
Hüpft braun herab die Quelle,
Wie schimmert ihre Welle
In hohler Hand so klar!

Ein Gärtlein soll umhegen
Die dunkle Siedelei,
Drin will ich Rosen pflegen
Und Rosmarin dabei:
Will aus dem Born sie tränken,
Und wenn sie welk sich senken,
Im Herzen still gedenken,
Daß Lieb' ein Schatten sei.

Und kommt zu meiner Zellen
Ein Reh die grüne Bahn,
Das wähl' ich zum Gesellen,
Und zieh' es treu heran.
Auf meinem Bett von Ranken
Da ruh' es seine Flanken;
Es wird mir besser danken,
Als je ein Mensch getan.

So will ich Umgang pflegen
Mit Rosen, Reh und Hain,
Gegrüßt auf meinen Wegen
Vom Sonnenstrahl allein;
Und jeden Abend treten
Will ich zum Kreuz und beten
Den einen Spruch, den steten:
»Herr, nimm zu dir mich ein!«

Und so mich Gott erhöret,
Da sei der Forst mein Grab,
Wo mich kein Reigen störet,
Und keines Rosses Trab.
Wildröslein, rot' und bleiche,
Bestatten fromm die Leiche,
Es singt von dunkler Eiche
Die Nachtigall herab.

 


 


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