Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Ein Psalm wider Babel.

Juli 1870.

            Nun ist geschürzt vom Bösen
Der Knoten also fein,
Kein Rat mehr kann ihn lösen,
Er muß zerhauen sein.

Ihr habt verworfen den Frieden,
Den treuer Sinn euch bot,
So soll euch sein beschieden
Streit und Jammer und Not.

Den ihr, bekränzt die Schläfen,
Gebraut, den Greueltrank,
Bis auf die letzten Hefen
Sollt ihr ihn leeren zum Dank.

Lobsingt nur eurem Götzen
In frechem Gaukelspiel!
Der Herr wird kommen und setzen
Dem wüsten Rausch ein Ziel!

Sein Odem Sturm des Krieges,
Der die Heerscharen fegt,
Sein Schwert ein Schwert des Sieges,
Das allen Frevel schlägt.

Finster wird sein die Erde
Und der Himmel voll Glut,
Bis an die Zäume der Pferde
Steigen wird das Blut.

Die Ströme werden weichen
Aus ihren Ufern zur Frist,
Weil mit Schutt und Leichen
Ihr Bett verdämmet ist.

Es wird zertreten der Rächer
Die Stätten, da ihr sitzt,
Daß durch die krachenden Dächer
Hochauf die Lohe spritzt.

Und Heulen wird sein auf den Gassen
Und Hunger Haus bei Haus,
Indes die Wölfe prassen
Und die Geier am Schmaus.

Das aber mag nicht enden,
Bis ihr dem Lügengeist
Abschwört und von den Lenden
Das Kleid der Hoffart reißt;

Bis ihr in Reu', vernichtet,
Aus eurem Herzeleid
Zum Herrn, der euch gerichtet,
Um Gnad' und Sühnung schreit.

Erst wenn aufs Knie gebogen
Ihr euch bekannt zur Schuld,
Wird er der Zornflut Wogen
Zerrinnen lassen in Huld.

Sanftleuchtend auf der Wolke
Mag dann der Bogen stehn,
Und am zerschlagnen Volke
Barmherzigkeit geschehn.

Dann mag verwandelt werden
Das Schwert zum Palmenzweig,
Und Friede wird sein auf Erden,
Und kommen wird das Reich.

 


 


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