Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Auf den Tod eines Freundes.

            O wie viel Kränze, eben frisch und grün,
Sah ich in einer kurzen Nacht verblühn!
O wie viel blondgelockte Knaben,
O wie viel Bräute, deren süßer Blick
Sich kaum entzündet an der Liebe Glück,
Sah ich schon lächeln und begraben!

Es sucht der Tod die Freude, wie der Strahl
Das funkelnde Metall. Ins laute Mahl,
Wo Blumen duften, Becher prangen,
Wo zur Musik der rasche Tanz erbraust,
Greift er hinein mit eisig kalter Faust
Und streift die Rosen von den Wangen.

Das ist das Schicksal! Nach dem Tag die Nacht,
Die stille Träne nach des Festes Pracht,
Nach lustigem Gesang die Klage,
Und nach der Jugend Glück so strahlenvoll,
Drin wie ein Himmel weit die Seele schwoll,
Die Ruh' im engen Sarkophage.

*            

Auch du, mein Artur! – O gedenk' ich dein,
Fließt um mein dunkles Herz ein sanfter Schein,
Wie Mondenschimmer um Ruinen;
Es blickt die alte Zeit mich seltsam an,
So blickt wohl schüchtern auf den ernsten Mann
Ein lächelnd Kind mit ros'gen Mienen.

Wohl war er selig dieser Jugendtraum!
Ich zählte damals fünfzehn Jahre kaum,
Und schwärmt' und träumte wie ein Knabe;
Du warst mein Freund – ich forderte nicht mehr;
Ich habe dich geliebt, wie ich nachher
Nur einmal noch geliebet habe.

Dein Auge war mir Licht, dein Wort Musik,
Ich zürnte eifersüchtig jedem Blick,
Den einem anderen du gönntest,
Und oft hab' ich in stiller Nacht geweint
Bei dem Gedanken nur, daß du den Freund,
Zum Mann gereift, vergessen könntest.

Des Abends, war die Schule endlich aus,
Zogen wir singend in den Wald hinaus,
Oder im Garten am Gewässer
Sahn wir die Sonne glühend niedergehn,
Und bauten wie das Lichtgewölk so schön
Uns für die Zukunft goldne Schlösser.

Da freut' ich mich, wenn um dein blondes Haar
Der Glanz der Abendröte wunderbar
Wie eine leise Glorie spielte;
Ich wurde still, ich drückte dir die Hand,
Und nur die Träne, die im Blick mir stand,
Sagte dir schweigend, was ich fühlte.

O sanfter Rasenhang am Rand der Flut,
Wo in den Blumen wir so oft geruht,
O breite, dichtbelaubte Buche,
Zu deren Wipfel unser Lied erscholl,
Wie schauet ihr mich an so trauervoll,
Wenn ich euch einsam jetzt besuche! . . .

*            

Auch du, mein Artur! Abgeblüht ist nun
Dein Lächeln, deine schönen Glieder ruhn,
Staub bei dem Staub, im Schoß der Erden,
Und dieses Auge, das mein Himmel war,
Als reine Flamme glänzt' es nur so klar,
Um ewig Asche dann zu werden. –

Es war die Zeit, wo leis im wärmern Hauch
Der Winterschnee zerrinnt, wo Herz und Strauch
Sehnsüchtig nach dem Lichte ringen,
Da neigtest du die schöne Stirn zur Ruh
Und lächeltest im Tod, als fühltest du
An deiner Seele schon die Schwingen.

Du lächeltest, ich weinte laut. Mein Herz
War jetzt verwaist. Es war mein erster Schmerz,
Und nimmer glaubt' ich zu genesen.
Ach, deiner Liebe war ich so gewohnt;
Sie war in meiner Nacht der klare Mond,
Die Ros' in meinem Lenz gewesen.

Und als sie dich gesenkt zur Ruh hinab,
Da zog der Frühling über deinem Grab
Empor mit leisem, lindem Wehen;
Er brachte Sonnenschimmer, Veilchenduft
Und lust'gen Vogelsang und blaue Luft –
Ich aber hab' ihn nicht gesehen.

 


 


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