Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Der Sklav'.

              O wär' ich frei und reich, ein Pascha sondergleichen,
Wie liebt' ich dann dies Land mit seinen Lorbeersträuchen,
Von Korn und Trauben segenschwer,
Dies klare Sonnengold in den kristallnen Lüften,
Diese Gärten, durchwürzt von ew'gen Rosendüften,
Und dieses glänzend blaue Meer!

Um Mittag ruht' ich dann auf weichen Purpurdecken
Im lustigen Gemach, wo im marmornen Becken
Der Springflut Rauschen nie verstummt;
Und wo ein schwarzer Knab', am Nigerstrand geboren,
Mit krausem Wollenhaar, Goldringe in den Ohren,
Sein Liedchen zur Gitarre summt.

Oder auf stolzem Roß von echt arab'schem Stamme,
Dessen Lauf wie der Wind, des Auge wie die Flamme,
Flög' ich dahin durch Tal und Höhn,
Durch die Felder von Mais, beschattet von Platanen,
Den prächt'gen Strom entlang, wo stolz wie grüne Fahnen
Der Palmen breite Fächer wehn.

Und um die Zeit, wo süß die Nachtigallen klagen,
Ließ' ich ein leicht Gezelt von Seidenstoff mir schlagen
Am Berg auf kühlem Wiesensamt:
Ich sähe fern das Meer sich dehnen unermessen,
Und an der Bucht die Stadt mit Kuppeln und Zypressen
Vom Abendpurpur überflammt.

Und dann die süße Nacht! Auf schwebender Galeere
Führ' ich bei Flötenschall hinaus zum stillen Meere,
Und bei des Halbmonds Dämmerschein
Höb' ich mit leiser Hand der Favorite Schleier
Und säh' ein dunkles Aug', in dem das tiefe Feuer
Verheißend spräche: Ich bin dein! – –

So träumte süß der Sklav'. Da klirrte seine Kette,
Er fuhr verstört empor von seiner Lagerstätte
Mit bangem Blick, mit blassem Mund;
Denn schon verschwand im Blau der Morgenstern erbleichend,
Und vor ihm stand der Vogt, den krausen Bart sich streichend,
Und rief: Zur Arbeit fort, du Hund!

 


 


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