Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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          Ich fuhr von Sankt Goar
Den grünen Rhein zu Berge;
Ein Greis im Silberhaar
War meines Nachens Ferge.

Wir plauderten nicht viel,
Die Felsen sah ich gleiten
Dahin im Wellenspiel,
Und dachte vor'ger Zeiten.

Und als wir an der Pfalz
Bei Caub vorüber waren,
Kam hellen Liederschalls
Ein Schiff zu Tal gefahren.

Ins weiße Segel schien
Der Abend, daß es glühte;
Studenten saßen drin,
Mit Laub umkränzt die Hüte.

Da ging von Hand zu Hand
Der Kelch von grünem Glaste:
Das schönste Mägdlein stand
In goldnem Haar am Maste;

Sie streute Rosen rot
Hinunter in die Wogen,
Und grüßte, wie im Boot
Wir sacht vorüberzogen.

Und horch, nun unterschied
Das Singen ich der andern:
Da war's mein eigen Lied,
Ich sang es einst vom Wandern;

Ich sang's vor manchem Jahr,
Berauscht vom Maienscheine,
Da ich gleich jenen war
Student zu Bonn am Rheine.

Wie seltsam traf's das Ohr
Mir jetzt aus fremdem Munde!
Ein Heimweh zuckt' empor
In meines Herzens Grunde.

Ich lauschte, bis der Klang
Zerfloß in Windesweben;
Doch sah ich drauf noch lang
Das Schifflein glänzend schweben.

Es zog dahin, dahin –
Still saß ich, rückwärts lugend;
Mir war's, als führe drin
Von dannen meine Jugend.

 


 


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