Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Nachruf.

              In diesen Zimmern hast du jüngst gewohnt,
Die Treppen hat dein schöner Fuß betreten,
Durch diese Wipfel schautest du den Mond
Und sahst den Sommer blühn auf diesen Beeten.

Und dort an jenem Fenster saßest du,
Und alter Zeit gedachtest du im Herzen,
Und dort entschliefst du, wenn zu tiefer Ruh
Dein Nachtgebet besprochen alle Schmerzen.

Ach, da du fortzogst, mußt' es jedem sein,
Als ob der Engel dieses Hauses schiede;
Ich aber trat an deiner Statt herein,
Ein wilder Gast mit meinem wilden Liede.

Nun ist mir oft, als wüßten sie von dir
Und müßten reden, diese stummen Wände,
Als schwebt' um Garten, Wald und Blumen hier
Ein still Vermächtnis, das ich nicht verstände.

Und doch, verständ' ich's, möcht' es mir – wer weiß! –
Vom Busen wälzen eine Last von Kummer
Und diese Wimper müd und fieberheiß
Mit Tränen wieder segnen und mit Schlummer.

Wüßt' ich das eine nur, was Tag und Nacht
Die Rast mir nimmt und mir verstört das Leben,
Das eine nur, ob du noch mein gedacht,
Und, wenn du's tatest, ob du mir vergeben?

 


 


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