Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Lieder eines fahrenden Schülers.

( Zu Volksweisen.)

I.
        Kein Tröpflein mehr im Becher!
Kein Geld im Säckel mehr!
Da wird mir armem Zecher
Das Herze gar so schwer.
Das Wandern macht mir Pein,
Weiß nicht, wo aus, noch ein;
Ins Kloster möcht' ich gehen,
Da liegt ein kühler Wein.

Ich zieh' auf dürrem Wege,
Mein Rock ist arg bestaubt,
Weiß nicht, wohin ich lege
In dieser Nacht mein Haupt.
Mein' Herberg' ist die Welt,
Mein Dach das Himmelszelt,
Das Bett, darauf ich schlafe,
Das ist das breite Feld.

Ich geh' auf flinken Sohlen,
Doch schneller reit't das Glück;
Ich mag es nicht einholen,
Es läßt mich arg zurück.
Komm' ich an einen Ort,
So war es eben dort,
Da kommt der Wind geflogen,
Der pfeift mich aus sofort.

Ich wollt', ich lag' zur Stunde
Am Heidelberger Faß,
Den offnen Mund am Spunde,
Und träumt' ich weiß nicht was.
Und wollt' ein Dirnlein fein
Mir gar die Schenkin sein:
Mir wär's, als schwämmen Rosen
Wohl auf dem klaren Wein.

Ach, wer den Weg doch wüßte
In das Schlaraffenland!
Mir dünket wohl, ich müßte
Dort finden Ehr' und Stand.
Mein Mut ist gar so schlecht,
Daß ich ihn tauschen möcht';
Und so's Dukaten schneite,
Das war' mir eben recht.

 
II.
        Es fliegt manch Vöglein in das Nest
Und fliegt auch wied'r heraus;
Und bist du mal mein Schatz gewest,
So ist die Liebschaft aus.
Du hast mich schlimm betrogen
Um schnöden Geldgewinn –
Viel Glück, viel Glück zum reichen Mann!
Geh du nur immer hin!

Viel Blümlein stehn im hohen Korn,
Von rot und blauer Zier.
Und hast du eins davon verlorn,
So such ein andres dir.
Glaub' nicht, daß ich mich gräme
Um deinen falschen Sinn –
Ich find' schon einen andern Schatz;
Geh du nur immer hin!

 
III.
        Herr Schmied, Herr Schmied, beschlagt mir mein Rößlein,
Und habt Ihr's beschlagen, so macht mir ein Schlößlein,
Ein Schlößlein so fest und ein Schlößlein so fein,
Und muß bei dem Schlößlein ein Schlüssel auch sein.

Das Schlößlein, das will ich vors Herze mir legen,
Und hab' ich's verschlossen mit Kreuz und mit Segen,
So werf' in den See ich den Schlüssel hinein,
Darf nimmer ein Wort mehr heraus noch herein.

Denn wer eine selige Liebe will tragen,
Der darf es den alten Jungfern nicht sagen;
Die Dornen, die Disteln, die stechen gar sehr,
Doch stechen die Altjungfernzungen noch mehr.

Sie tragen's zur Bas' hin und zur Frau Gevattern,
Bis daß es die Gäns' auf dem Markte beschnattern,
Bis daß es der Entrich bered't auf dem See,
Und der Kuckuck im Walde, und das tut doch weh.

Und wär' ich der Herrgott, so ließ' ich auf Erden
Zu Dornen und Disteln die Klatschzungen werden,
Da fräß' sie der Esel, und hätt's keine Not,
Und weinte mein Schatz sich die Augen nicht rot.

 


 


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