Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Fest-Prolog
bei Enthüllung des Rückert-Denkmals

am 19. Oktober 1890.

          »Die Poesie in allen ihren Zungen
Ist dem Geweihten Eine Sprache nur.«

So rief der Mann, dess' ehern Bild sich heute
In seiner Vaterstadt zum ersten Mal
Der Sonne zeigt. –

Er durfte also sagen:
Denn vor ihm lagen aufgereiht die Sprachen
Der Völker, einer Riesen-Orgel gleich,
Und meisterlich verstand er, drauf zu spielen.

Von Cordoba und von den Nordland-Fjorden
Bis zu den Palmenwipfeln Indiens,
Bis in Arabiens Wüstengluth, ja bis
Zum siebten Himmel Muhammeds hat er
Verfolgt, erlauscht, erfaßt und volldurchdrungen
Der Menschen, ja auch ihrer Götter Seelen
In ihres Wesens innerstem Geheimniß:
In ihrer Sprache: denn er wurde selbst
Im Geist Bramahne, Perser, Araber:
Er übersetzte nicht: sich selbst versetzt' er.

Und doch! – Gerade darin wies er deutlich,
Wie er so ganz und gar – ein Deutscher war,
Der liebevoll mit Geist sich und Gemüth
In fremde Volkesart wie Keiner sonst
Weiß zu versenken. –

                                    Ja, ein Deutscher war er,
Der Freimund Reimar, der den deutschen Zorn
Dem Welteroberer entgegenwarf
Im Erzgedröhn geharnischter Sonette,
Ein Deutscher war er, dessen Liebesfrühling
So lang' wie deutsche Liebe blühen wird,
Ein Deutscher auch im Kleide des Brahmanen,
Voll deutscher Weisheit, deutscher Sinnigkeit.

Er war ein deutscher Dichter: – drum ein Künstler,
Das Schöne bildend, nicht das Häßliche,
Das Wahre bildend, nicht das Wirkliche,
Den Mißklang lösend durch die Kunst der Form,
In höh'rer Harmonie ihn überwindend.
Auf seinen Scheitel fiel ein Nachglanz noch
Von Goethe's Abendroth: drum war die Kunst
Ihm heilig als das Priesterthum des Schönen:
Das Rohe lag, des Tages ekler Abklatsch,
Tief unter ihm und zu den Sternen trug,
Zum Göttlichen, zum Ideal der Menschheit
Ihn der Begeist'rung Flügelroß empor. – –

Er zeigte klar den kommenden Geschlechtern:
Das Wissen ist nicht todt, nicht unfruchtbar,
Es kann die Forschung auch dem Schönen dienen,
Des Wissens Baum auch der des Lebens sein. –

Von Rückert werden seine Deutschen lernen,
So lang sie Deutsche sind: nicht einzle Kenntniß,
Nicht einzle Formkunst: nein, das Edelste:
Daß es in Kunst und Leben ist das Höchste,
Die Eigenart wahrhaftig auszuprägen
In allem Thun, – auch in dem Kleinsten sinnig
Das Ewg'e abgespiegelt anzuschau'n
Und spröd'sten Stoff in Schönheit zu verklären! –

Ja wahrlich: dieser Seele Rose hat,
Indem sie selbst sich schmückte, auch den Garten
All' ihres Volks geschmückt mit ihrer Schöne.

O Friedrich Rückert, nicht mehr schautest Du
Erfüllt das Traumbild Deines Sehnens: – als
Dein Auge brach, – noch immer in dem Berge
Verzaubert hielt sich Kaiser Barbarossa
Und auf der Erde haderte sein Volk
In Zwietracht und in Ohnmacht: – Vater Rückert,
O schau herab, schau her in dieser Stunde:
Erstanden ist der Kaiser und das Reich,
Vom Münster Straßburgs weht die deutsche Fahne,
Wir sind versöhnt, ein einzig Volk von Brüdern,
Und dankbar schart dies Volk sich um Dein Bild
Mit Eichen und mit Lorber es zu kränzen. –

Heil uns, daß wir Dich hatten: nein, Dich haben:
Denn unvergänglich lebt in uns Dein Geist,
So lange deutsche Kunst und deutsche Forschung,
So lange deutsche Art auf Erden lebt.

Komm, Friedrich Rückert, zeig' Dich Deinem Volk!


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