Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Vom armen Häslein.

            Durch die rauschenden Palmenwälder
Längs den Fluthen des Neranjâra
    Schritt der göttliche Buddha hin:
Sonne neigte sich, wann es tagte,
Sterne neigten sich, wann es Nacht ward,
    Vor des Weisesten Heiligkeit.

»Spendet, Menschen und alle Wesen,«
Sprach er, »Andern zu dienen, Alles,
    Was euch eigen und theuer ist!
Opfert, gebet und schenket eifrig!
Andern spenden, – das macht euch selig,
    Andern schenken ist Glück und Pflicht!«

Und es hörten des Heil'gen Stimme
Und es folgten des Heil'gen Mahnung
    Kön'ge, Krieger und alles Volk:
Priester, Adel und reiche Händler,
Bauern, Fischer und arme Mönche,
    Alle gaben ihr Bestes hin.

Nicht dem Buddha, – denn der braucht nichts! –
Doch zum Besten der Siechen, Lahmen
    Und der Aermsten im ganzen Volk. –
Aber nicht nur die Menschen lauschten,
Auch die Thiere des Heil'gen Stimme,
    Folgend ihm durch die Wälder nach.

In den Lüften die Vögel flogen,
In den Wassern die Fischlein schwammen
    Hinter Buddha und lauschten ihm:
Ja, die mächtigen Elephanten,
Reiher, Pfauen und äms'ge Bienen,
    Gänse, Schafe wie Häslein auch.

Und die Thiere sowie die Menschen
Gaben, was sie des Besten hatten.
    Gab der König den goldnen Reis,
Gab der Krieger den schönen Erzschild,
Gab der Händler die weiße Seide, –
    Gab den schillernden Schweif der Pfau.

Gab die Muschel die weiße Perle,
Gab die Biene den süßen Honig,
    Gab der Reiher den stolzen Busch,
Gaben Gänse die weichen Dunen,
Gaben Schafe die weichen Vließe,
    Elephanten ihr Elfenbein. –

Nacht um war's, und es schliefen Alle:
Kön'ge, Krieger und reiche Händler,
    Elephanten und jed' Gethier,
Und als völlig allein der Buddha
An dem Fuße des Ajapâla-
    Baumes schürte sein Feuer an:

Während leuchtend der Vollmond aufging,
Sieh, da sprang aus dem dichten Waldgras
    Auf den Heil'gen ein Häslein zu.
Gar ein armes, ein mag'res Häslein,
Ein noch junges und kleines war es,
    Und es leckt' ihm den nackten Fuß.

»Großer Buddha,« so sprach es kläglich –
Kläglich können die Häslein jammern –,
    »Ach, wie mächtig mich traf dein Wort!
Ach, wie selig ist doch das Geben!
Ach, mit weinenden Augen sah ich,«
    (Und er weinte, der kleine, noch!)

»Wie dir alle die andern Thiere
Gaben, was sie zu geben hatten:
    Wolle, Honig und Perlen gar.
Aber ich – oh ich armes Häslein! –
Ich hab', Heiliger, nichts zu geben!
    Werthlos Gras nur im Waldversteck

Hab' ich, Büschelchen sechs, nein: sieben
Aber keinem ist das von Nutzen,
    Und doch muß Ich was geben auch!
Darum – nimm es nicht übel, Buddha,
Daß ich leider so mager bin, doch
    Jung und zart drum ist wohl mein Fleisch! –

Darum geb' ich mich selbst dir, daß du
Mich sollst heute zur Nachtkost speisen!«
    Sprach's und sprang in des Feuers Gluth. –
Aber flugs aus den rothen Flammen
Riß ihn Buddha, bei seinen langen
    Löffeln fangend das gute Thier.

Und er warf es mit Zauberschwunge
Durch die Himmel bis in den Vollmond.
    Und mit Rührung der Heil'ge sprach:
»Wahrlich, größer war deine Gabe
Denn von Königen, Kriegern, Händlern,
    Als von Muschel und Elephant.

Armes Häslein, du sollst auf ewig
In der Scheibe des Vollmonds mahnen
    Stumm die Menschen an deine That!«
Deßhalb siehst du, o Mensch, im Mondbild
Ein klein springendes Häslein deutlich:
    Mondlicht mahnet dich, gut zu sein. –


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