Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Prolog
zur hundertjährigen Erinnerungsfeier der ersten
Aufführung von Schillers Räubern in Mannheim.

            Vor hundert Jahren war's: . . . da lag der Druck
Dumpf schwüler Zeit auf diesem deutschen Volk.

Morsch war das Reich; und herzfaul, bis zum Kern,
War jeder deutsche Staat: der Despotismus,
Auch wenn er – »aufgeklärt« – beglücken will,
Kann nicht beglücken: denn sein Glück ist Zwang.
Ein Hof, Versailler Laster plump copirend, –
Ein Adel, der aus derbem, aber kräft'gem
Landjunkerthum zu Schranzen war verlottert, –
Die Pfaffheit heuchlerisch, wenn nicht verdummt, –
Gelehrte, Dichter ohne Volksgefühl, –
Die Bürgerschaft der Kraft und Ehre bar, –
Der Bauer in die tiefste Noth getreten: –
Das war die Jammerglied'rung deutschen Volks!

Wohl wetterleuchtet's drüben in Paris,
Und durch die deutsche Jugend ging ein Sehnen
Nach Kraft, nach Mannheit, ach! nach einer That,
Nur groß, frei, kühn – und hieße sie Verbrechen.

Da schrieb ein Jüngling aus dem Stamm der Schwaben,
Dem Deutschland so viel Herrliches verdankt:
In Lied und Forschung wie in Statsbeherrschung,
– Die Hohenzollern wie die Hohenstaufen –
Da schrieb ein zweiundzwanzigjähr'ger Jüngling
Ein Schauspiel: auf dem Umschlag stieg ein Löwe,
Zornbrüllend, dräuend seine Pranken hebend,
Empor: ob seinem Haupt, in rother Schrift,
Geschrieben stand das Wörtlein: »In tyrannos!«

Und als dies Schauspiel schlug in's deutsche Volk,
Da brach der schwüle Drang hervor im Sturm,
Im Jubelsturme der Begeisterung!
Hie Kraft! Hie Freiheit! Hie lebt deutscher Geist,
Der schrecklich schön, fast frevelhaft, doch groß,
Die morschen Schranken alten Formrechts bricht:
»Ein freies Leben führen wir.« – So scholl's
Laut durch ganz Deutschland. – Ach, »Ein freies Leben!«
Die Sehnsucht war's, die Wahrheit nicht der Zeit:
Noch ein Jahrhundert mußte kämpfereich
Dahin geh'n, ehe wir der Freiheit Palme,
Besprengt mit vielem edlen Blut, errangen. –

Jedoch derselbe Geist, der so gewaltig
Des Wettersturms Dämonen aufbeschwor,
Deß wilde Kraft dem Maß zu spotten schien,
Der, selbst ein himmelstürmender Karl Moor,
Die Jugend fort in's Schrankenlos riß, –
Derselbe hat in nimmer müder Arbeit
In Selbstzucht, die sich nie Genüge that,
– Auch darin uns ein unerreichtes Vorbild, –
Er hat so lange mit sich selbst gerungen,
Bis er die allzu wilde Kraft gebändigt,
Bis er im klaren Frieden ernster Weisheit,
Im Edelmaß der Form das Höchste fand,
An Goethe's Seite ebenbürtig trat
Und, wie sein Freund, den schönsten Kranz gewann:
Den Eichlaubkranz des deutschen Heldentums
Und Lorber und Oliven Attika's.


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