Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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An Josef Lewinsky

Festspruch im Hause Feinberg, Königsberg.
(1885.)

                Wir kommen all' so gern in dieses Haus.
    Warum? Weil schöne Menschen darin wohnen,
Die an dem Schönen, das man sonst kaum duldet,
    Aufricht'ge Freude haben. – Darum darf
In diesem Haus man bei dem heitern Becher
    Die ernste Frage wagen: »Was ist Schönheit?«

Die Weisen und die Künstler suchen's lang'.
    Nicht rühm' ich mich, das Räthsel ganz zu lösen:
Ein Stück der Wahrheit nur glaub' ich zu kennen:
Die wahre Schönheit ist die schöne Wahrheit
In Harmonie von Inhalt und von Form.

    Nicht alles Wahre, Richtige ist schön,
Doch holden Schein der Wahrheit sucht die Kunst,
    Und was da unwahr, das ist unschön auch.

Wahrhaftigkeit des Herzens, der Empfindung,
    Pflichttreuen Ernst heischt echte Künstlerschaft:
Wer nicht mit heil'ger, priesterlicher Weihe
    Der Muse naht, – nie hebt sie ihm den Schleier,
Ernst ist das Leben, – ernster ist die Kunst.
    Und wer die Wahrheit des Gefühls verlor,
Wer nicht ein Kind blieb in des Herzens Tiefen,
    Sich kindlich freu'n und kindlich weinen kann,
Mag viele Künste kennen, nicht die Kunst. –

Durch alle Städte geht sie gleißend hin,
    Die Lüge hohlen Virtuosenthums:
Die Narrenrassel scheppert der Reklame,
    Und Lüge, Lüge ist der ganze Lärm:
Die »Kunst« ist Lüge und der feile Lorber.
    Zuletzt belügt der Lügner, wie die Menge,
Sich selbst: sie wissen's Beide nicht mehr anders:
    Wer's aber ernst meint, kehrt sich ab mit Ekel.

Den Meister macht das Können und die Wahrheit,
    Die strenge Selbstzucht, die nicht eignen Glanz,
Die nur das Licht des Schönen sucht. – Der Mime
    Vor Allem frevelt, der sich selber spielt,
Der Shakespeare nicht, nicht Schiller reden läßt,
    Sich selber nur, dem Pfau gleich, der sein Rad schlägt,
Dem blöden Haufen vorspreitzt, nie dem Kunstwerk
    Sich einfügt wie die Säule in den Tempel,
Nein, nur sich selber spielt und spricht und vordrängt
    In lächerlicher Selbstbespiegelung. –

Und viele von den Mimen wie den Dichtern,
    Sie haben leider niemals es erkannt,
Daß schon die Sprache hohe Kunst erheischt;
    Es lallen Manche, noch viel Meh're schrei'n.
Doch sprechen haben Wen'ge nur gelernt.

Genug des Tadels! – Und des Lob's nicht braucht es:
    Wir seh'n bei uns den Mann, der sprechen kann,
Wie ich noch Keinen fast hab' sprechen hören,
    Der mit der strengsten Pflicht, dem Richter ähnlich,
Nicht eigne Willkür eitel vor uns aufspielt,
    Nein, der des Dichters wahren Willen sucht
Zu künden wie der Richter des Gesetzes,
    Der sich die Kindlichkeit des Herzens wahrte,
Das Alles überwindende Gemüth,
    Und der ihn nie geschlafen hat, den Schlaf,
Den höchst betäubenden auf Lorberkränzen,
    Der, längst gereift, noch wie ein Schüler lernt.
Ja, ihm ist wahre Schönheit schöne Wahrheit.
    So braucht's nicht Prunks und Schmuckes, ihn zu feiern,
Der prunklos, schmucklos uns das Schönste beut:
    Zu seinem Lob bedarf's der Wahrheit nur:
Josef Lewinsky, Meister, sei gegrüßt!


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