Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Saint Privat.

            Heiß war der Augusttag: heißer doch
Entbrannte das Ringen der Mordschlacht noch,
Der grimmigen Schlacht, die dort geschah
Auf den kahlen Hügeln von Saint Privat
Und den Steilweg hinan von Sainte Marie.
Untreffbar, unsichtbar liegen sie,
Die Franzosen, von steinernen Mauern gedeckt,
In drei Reihen von Schützengräben versteckt.
Und der ragende Kirchhof mit steinernen Zinnen, –
Wer will im Sturm diese Burg gewinnen,
Im Lauf über schutzlos offnes Gelände
Gegen geschartete Steinbauwände? –

Und es schlägt halb sechs in Sainte Marie:
Da! Die preußischen Trommeln, wie rasseln sie!
Wie über das schweigend harrende Feld
So mahnend der schrille Hornruf gellt:
»Hinein in das blutige Abendroth!«
»Hinein in den ehernen Schlachtentod!«
Die furchtbar ernsten Töne, sie laden
Zu stürmen, zu sterben, drei Gardebrigaden!
Das war ein Ringen todtrotzender Helden,
Wie von den Burgunden die Sagen melden.

Hinauf! Hinan! Die Führer zu Roß,
Sie erreicht am leichtsten des Feindes Geschoß,
Des ungeseh'nen, im Pulverdampf:
Das ist nicht mit Menschen ein Waffenkampf:
– Kaum, selten, hinter den Scharten der Mauern,
Siehst du ein rothes Käppi lauern: –
Nein, feuerspeinde Berge schmettern
Ihre Lava in flammenden Wettern.
Da kracht die Granate, es pfeifen und zischen
Die Chassepotkugeln und dazwischen
Der Mitrailleusen knarrender Ton! –
Schwarz deckt sich mit Todten die Halde schon!
Die Pappeln am Wege, wie sind sie zerfetzt!
Da fällt die Fahne der Dreier! – Doch jetzt
Auf rafft sie der Hauptmann mit eigner Hand! –
Er stürzt! – Da faßt sie der Lieutenant
Und trägt sie vorwärts: »Nur drauf und dran!
Wart', wenn wir sie haben Mann an Mann!«

Doch weh! Was ist das? Welch Zeichen erschallt?
Um Gottes willen! Ja: das ist »Halt!«
Wie? Halten? Hier halten? Auf offnem Feld?
Drauf das Blei wie Hagel herniederfällt?
Es stirbt sich freudig im Vorwärtsjagen,
Reißt das Blut dich fort zu rasendem Wagen:
Doch am Boden kauern und warten still,
Ob der Tod denn noch immer nicht kommen will, –
Das ist zu viel! – – –
                                    Sieh, aus Saint Privat,
Was glitzert und blinkt uns entgegen da?
Französische Reiter! Ei! hochwillkommen!
Das ist doch ein Ziel! – Nun auf's Korn genommen
Die Gäule! – Hei, kehren sie um in Eil',
Die bunten Chasseurs von du Barail! –
Aber was hilft's? Die Schlacht, sie steht!
Und wehrlos werden wir niedergemäht!
Verderben blitzet der Kirchhofthurm! –
Und wir liegen stille mitten im Sturm!

Die Sachsen! Die Sachsen! Wo bleiben sie nur?
Ihr Kronprinz hat uns sein Wort gegeben:
Das löst er ein oder läßt sein Leben!
Sie müssen ihn halten, den Treueschwur!
Doch in Sainte Marie schlägt's halb sieben Uhr,
Und kommen sie nicht oder kommen zu spät, –
Der Stern Alldeutschlands hier untergeht!

Dies Warten, es ist nicht länger zu tragen!
Laßt auf uns springen und vorwärts jagen
In den sichern Tod und das Verderben,
Aber nicht hier liegen und wehrlos sterben!

O Sachsen! O Sachsen! Wo bleibt ihr nur?

Da! – Da kracht es herüber von Roncourt!
Da stärker! Und näher! Und schon ganz nah!
Gott! Dank dir im Himmel! Die Sachsen sind da!

»Ja, die Sachsen sind da!« ruft der Adjutant,
Der, die Zügel verhängt,
Kommt herangesprengt.
»Ihr Kronprinz hat mich zu euch gesandt:
Sie trieben den Marschall Canrobert
Aus dem brennenden Roncourt vor sich her.
Sie hielten ihr Wort mit deutscher Treue.
Nun, ihr preußischen Garden, zum Sturm auf's Neue!
Springt auf vom Boden! Die Rache ist nah'
Für all das Schlachten, das euch geschah.
Zum Sturme! Zum Siege! Mit lautem Hurrah
Zum Sturm – mit den Sachsen! – aus Saint Privat!»

Und als sie sich trafen nach grimmem Morden
Die Preußen von Westen, die Sachsen von Norden
Im eroberten Kirchhof von Saint Privat, –
Da sind in Feuer und Blut die Sachsen
Und Preußen zu Brüdern zusammengewachsen!


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