Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Odhins Wahlsohn.

        Alle wagenden, stürmisch, kühn,
Schrankenlos jagenden Göttinnen
Rief ich früher wohl hitzig an,
Meinen Gang zu beflügeln.
Denn es riß mich das Ungestüm
Allzu lange verhaltener,
Mönchisch strenge gezügelter
Jugend in's Ungemessene fort. –
Hatte ich doch, bis beinahe schon
Grau sich färbte mein braun Gelock,
Arbeit nur und die Pflicht gekannt,
Froh'ren Freunden ein Spott fast.

Plötzlich kamen sie über mich –
– Noch gedenk' ich der Maien-Nacht,
Schmetternd sang sie, die Nachtigall! –
Jene flammengewaltigen
Göttinnen feurigen Gluthendrangs,
Loki's lodernde Lieblinge,
Asischen Abstamms halb,
Riesinnen halb aus Riesenreich,
Und, gehorchend dem Sturmgebraus,
Das mir die Schwingen der Seele hob,
Flog ich über die mannenden,
Weise warnenden Freunde hin,
Über der scheltenden Feinde hoch
Dräuend geschwungene Schwerte hin
Raschen Todes gewärtig.

Damals rief ich die stürmenden,
Maßlos wagenden Göttinnen an:
»Reicht mir des Liedes nur einen
Unbestrittenen Siegeskranz,
Reicht mir der Liebe nur einen Trunk: –
Dann verweht mich, verbrennt mich.«

Aber sieh, aus dem Nachtgewölk
Stieg da nieder vom Himmel hoch,
Rabenumrauscht, ein Gewaltiger,
Und die Feuerdämoninnen
Wies er von mir mit dem Speer zurück:
»Laßt von ihm, Ihr Verführenden,«
Sprach er, »Ihr lockend Verderblichen
Denn ich kürete diesen Mann
Mir zum Dienst und als Wahlsohn:
Hört's: Ich, Odhin von Asgardh!«

Und den wallenden Mantel schlug
Er um die Schultern, den dunkeln, mir,
Nahm mich mit durch die Wolken.

Diensttreu folg' ich dem Gott seither,
Ihm, des germanischen Geistes Gott,
Dessen Dienst in sich selber lohnt
Ueberschwänglich, unendlich: denn
All' sein Dienst ist – Begeist'rung.


 << zurück weiter >>