Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Der erste Spiegel.

                        Es war einmal in alter Zeit
Ein Maler, reich an Frömmigkeit:
Der trachtete mit seiner Kunst
Nur nach der Himmelskön'gin Gunst:
Wo immer er ein Kirchlein fand,
Malt' er Maria an die Wand:
Er malte sie mit großem Fleiß,
Die Wangen roth, die Stirne weiß;
Und immer schöner schuf er sie,
Je mehr ihm Geist und Kunst gedieh. – –
Nun: das gefiel denn auch Marie. –
Denn auch die heiligste der Frauen
Mag sich an ihrem Bild erbauen:
Dem Jüngling, fromm und wohlerzogen,
Ward Frau Maria recht gewogen. –

Einmal in einem Dom am Rhein –
Es mag wohl Köln gewesen sein –
Hat wieder er ihr Bild vollendet,
Viel Fleiß und Kunst darauf verwendet. –
Wie nun auf schwingendem Gerüst
Demüthig er den Schuh ihr küßt,
Und voller Reiz und Majestät
Die Frau auf Wolken vor ihm steht,
Entdeckt er unter ihren Füßen
Unausgefüllt noch leeren Platz.
Er ruft nach kurzem Kopfgekratz:
»Hei, mächtig wirkt der Gegensatz!
Die Lücke zu der Heil'gen Füßen, –
Die Lücke soll der Teufel büßen!«
Und flugs mischt er auf's Neu' die Farben,
Läßt's nicht an Ruß noch Mennig darben
Und malt, den er doch nie gekannt,
Risch rasch den Teufel an die Wand,
Den Teufel, wie er leibt und lebt:
Malt wunderhäßlich ihn, genau
Wie wunderschön die hohe Frau,
Die sieghaft ihn zu Häupten schwebt. –
Schon ist er fertig ganz und gar,
Jetzt auch das struppig-rothe Har.
Zum Schluß, mit ämsigem Bemüh'n,
Malt er den Schwanz ihm erbsengrün! –

Doch kaum vollendet gleißt der Schweif, –
Mit einer Kralle wie ein Greif
Packt ihn von hinten schon der Böse
Und faucht mit gräßlichem Getöse:
    »Hab' ich Dich jetzt, du Sudelklexer,
    Du Engleinlarvenfratzenhexer?
    Jetzt schmeiß' ich Dich von dem Gerüst,
    Daß Dein Gehirn das Erdreich küßt.«

Wohl war der Jüngling erst erschrocken.
Doch kühn bald schüttelt er die Locken:
    »Ich biete Deinem Wüthen Trutz:
    Ich steh' in Sanct Mariens Schutz!«

»Der Schutz,« höhnt' der, »wird heut' nichts nützen:
Denn Lügner darf sie nicht beschützen.«

»Wo log ich je?«

                              »Auf dieser Wand!«

»Wie? Wenn Maria Dir bekannt,
So weißt Du, – das ist nicht geschmeichelt!«

»Nun, – zwar gehätschelt und gestreichelt, –
Doch, ja: so etwa sieht sie aus.
Allein: – Ich! – Freundchen, welch ein Graus!
Das ist doch Liebedienerei
Dort bei der Himmels-Massenei,
Daß ich so scheußlich häßlich sei!
Beweist Du das mir nicht zur Stell',
Fliegst Du hinab, du Luggesell.«
Und schon am Kragen griff er ihn.

Da rief der Jüngling zu Marien:
»O hilf, wenn ich Dich je geehrt!«

Da hat zum Christkind sich gekehrt
Die reine Magd: »Mein Gott und Kind
Und Vater, hilf dem Mann geschwind:
Thut ihm der Wilde was zu leide,
Wer malt noch je so schön uns Beide?«

Das Christkind hob das Fingerlein
Und drohte lächelnd: »Mütterlein,
Er malt zwar öfter Dich als mich,
Vielmehr mit Dir befleißt er sich.
Doch nimm! Dies sei dem Erzfeind Riegel.«

Er bot ihr dar den ersten Spiegel,
Der je auf Erden ward verwandt.
Sie drückt ihn in des Malers Hand,
Der gleich auch den Gebrauch verstand.
Er hielt ihn vor dem Satan dicht
Und rief: »Sag an, du arger Wicht,
Erkennst Du hier Dein Angesicht?
Ist's häßlicher um Vieles nicht
Als ich Dich hier hab hergericht't
An Leib und Gliedern, gar und ganz?
Ich schuf Dir erbsengrün den Schwanz!
Das war geschmeichelt! Denn, sprich selber,
Gefällt Dir mehr dein schwefelgelber?«

Der Teufel in den Spiegel sah:
Wovon ihm solcher Schreck geschah,
Daß mit Geheul er und Gestank
Sofort von dem Gerüste sank.
Er schlug mit Rücken, Schweif und Sterz
Auf Marmorstein und pfiff vor Schmerz
Und fuhr durch's Pflaster höllenwärts.

Der Maler aber, pflichtgetreu,
Den Schwanz gelb übermalte neu,
Dann sank er betend auf die Knie
Und dankte laut Jungfrau Marie.

* *   *
Ihr Männer aber lernet nun,
Daß eure Frau'n nicht Sünde thun,
Gebrauchen gern des Spiegels sie:
Zuerst hat ihn gebraucht Marie,
Den ihr Herr Christus selbst verlieh:
Und dient er, daß die Teufel weichen,
Darf man auch Holdes drin vergleichen! –

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