Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Prolog
zur Feier des 100jährigen Geburtstags Lessings
im Stadttheater zu Wien.

                    Ein Angedenken gilt es heut' zu feiern,
    Das unvergleichbar andern Namen ist:
Dir gilt es, Lessing, Rufer in dem Streit! –

    Nicht Goethe's schönheitsel'ger Genius,
Nicht Schillers Adlerflug zum Ideal
    War Dir, Du mühvoll Kämpfender, verlieh'n:
Jedoch ein Ritter ohne Furcht und Tadel,
    Zugleich ein Sänger warst Du und ein Held,
Ein Kampf Dein ganzes Leben – und ein Sieg!
    Nicht Rosen schmückten Deine klare Stirn,
Jedoch ein Kranz von Eichlaub und von Lorber
    Ziert unverwelklich Dir den ehrnen Helm,
Den nie Du abgelegt vom hohen Haupt.

Du hast von deutscher Bühne weggefegt
    Wie Sturm die Schmach der wälschen Fremdherrschaft: –
Mit blankem, immer scharf geschliffnem Schwert
    Hast Du die Götzen jeder Art zerschlagen,
Ein Kaiser Joseph ohne Purpurmantel:
    »Der Freiheit eine Gasse!« war Dein Ruf:
»Freiheit dem deutschen Dichten, deutschen Denken!
    Wohlthätig, nicht gefährlich ist das Licht,
Das milde Licht der Duldung und der Wahrheit.«

Der Ring, der in der Fabel ging verloren, –
    Der Wahrheit besten Theil, ihr Unterpfand, –
Das ew'ge Suchen nach der Wahrheit: – Du,
    Ein deutscher Nathan, hast den Ring gefunden! –

O daß Dein Geist, der echte deutsche Geist,
    Der Alles, was da menschlich ist umschließt,
O daß der Geist der Freiheit und der Wahrheit,
    Des Forschermuthes und der Mannespflicht,
Daß Lessings Geist die starken Schwingen schlage,
    Wo immer deutsche Sprache tönt!

Dann trennt kein Grenzpfahl Eines Volkes Söhne,
    Die glorreich ein Jahrtausend sah geeint:
Eins bleiben sie im Geist und in der Wahrheit
    Und, Lessings Erben, Eins in Kampf und Sieg.


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