Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Prolog
zur Jubelfeier des Stadttheaters in Breslau.

(13. November 1891.)

            Des Drama's Muse mahnt an diesem Tag
Erinn'rungsvoll Euch lang verstrich'ner Zeiten:
Vor fünfzig Jahren war's, da hat mein Tempel
An dieser Stätte sich zuerst erschlossen,
Und großer Meister Wort ward hier gehört:
Held Egmont's Stolz und Clärchens Klage tönten,
Gluck ließ der Griechenjungfrau Sänge rauschen,
Und Holbeins Scherz durchflatterte den Raum.

Dem zum Gedächtniß sollt in diesen Tagen
Die gleichen Bilder hier Ihr wieder schau'n:
Zum Zeichen und zum freudigen Beweis,
Daß unvergänglich immer gleichen Zauber
Das Werk der wahren Kunst übt auf die Seelen,
Der wahren Kunst, die nur sich selber dient,
Die nur das Schöne sucht und nicht des Tages
Unschöne Wirklichkeit noch einmal spiegelt:
Denn wahre Schönheit ist nur schöne Wahrheit!
Das Wirkliche, das Richtige zu erforschen
Und darzustellen, ist der Wissenschaft,
Ist nicht der Kunst Bestimmung: sie ist frei
Und schafft das Schöne um des Schönen willen.

Nur diese Kunst kann auch aus Kampf und Trübsal
Sich selbst und Euch erheben zu den Sternen:
Ja selbst die Flammen können sie nur läutern,
Und aus dem Feuer fliegt sie sieghaft auf,
Dem Vogel Phönix gleich, unsterblich jung!

So hab' ich diesen meinen Tempel auch
Zweimal in diesen fünfzig Jahren schon
Aus Flammengluth auf's Neue mir erhöht
Und neu geweiht dem Dienst des ewig Schönen! –
Jedoch ein Tempel heischt nicht Priester nur,
Auch eine fromm begeisterte Gemeinde,
Die, treu der Kunst, der göttlichen, ergeben:
Dem reinen Auge nur zeigt sich die Göttin,
Und nur der Andacht Ohr vernimmt ihr Wort.

Soll dieses Haus ein Göttertempel sein, –
So helft dazu Ihr alle: – leget ab
Vor meiner Schwelle jedes Häßliche,
Den Streit, den Staub, das Widrige des Tags:
Geweihten Herzens tretet in das Weihthum.
Dann sollt ihr stets darin die Göttin finden
Und mit von hier aus eurer Stirne tragen
Den reinigenden Weihekuß der Kunst.


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