Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Lucifer.

I.
              »Vom tiefsten Abgrund hob ich mich empor,
Vom letzten Saum der ewig dunkeln Nacht, –
Des Weltraums Rinde –, wohin einst mich rücklings
Aus meinem Kampfgeschirr das Flammenschwert
Sanct Michael's hinunterschmetterte
Zu ungeheu'rem Fall. –
Todt lagen die Genossen. – Aber ich, –
Kaum dacht' ich wieder, dacht' ich an Vergeltung.

Doch nicht wie damals, in der Jugend Hitze,
Der Kraft des Arms nur trauend und des Muths,
Beginn' ich heut' den Kampf: nein, die Aeonen,
Die ich durchdacht, durchsonnen und durchgrübelt
Seit jenem Ansturm auf die Himmelspforten, –
Sie haben fein're Kriegskunst mich gelehrt. –

In schwarzen Stahl vom Wirbel bis zur Sohle
Gepanzert steh' ich: auf dem Kamm des Helms
Speit Gluth aus offnem Rachen mir der Wurm,
Und meine dunkeln Drachenflügel tragen
So schnell fast wie sein Blitz mich durch die Luft.

Jedoch auf Eins nur bau' ich: auf dies Schwert,
Daran ich durch Jahrtausende geschmiedet.
O laß dich küssen, schmerzerkaufte Klinge,
Darein ich meinen Haß und meinen Zweifel
Und meinen Spott und meine Lust am Bösen
Und meinen Grimm auf seine Uebermacht
Und meine übermüth'ge Lust am Nein
Und meinen Trotz auf mein ureigen Selbst
Und meinen Stolz auf meine Freiheit schmolz!

Mit höchsten Zaubers tiefst geheimer Kunst
Hab' ich in den ach! ungezählten Nächten,
Da ich von allem Seienden allein
Mir selbst geblieben, Gott und Welt verlassen,
In diese spitze, helle, scharfe Klinge,
Geschmeidig wie die Schlange, stark wie Stein,
Hinein geschmiedet Alles von Gedanken,
Was, mit dem Fluch des Denken-Müssens schwer
Belastet, Menschen oder Geister ausgedacht:
Das Hirn Spinoza's schmiedete ich drein,
Und an dem Schädeldach des Doctor Faust
Hab' ich sie blank geputzt, bis das zerbrach.

Gegrüßt, mein Schwert! Dich lieb' ich, dich allein
Von Allem, was da ist. O laß dich küssen,
Schwert sonder Scheide, Gottes-Tödter du!
In deinen Heftgriff ritzt' ich deinen Namen:
Gedanke heißt du und bist unbezwingbar.
Ja, bis ich selbst dich rathlos von mir werfe,
Bis ich dich selbst zerbreche, – nie geschieht das! –,
Entreißet dich kein Feind obsiegend mir!

Empor! Empor! Tragt mich, ihr schwarzen Schwingen!
Schon steh' ich auf dem heißgehaßten Stern:
Der Menschen-Erde. – O die feigen Würmer!
Traun, denen hat der »Ewig-Gütige«
Das grausamste der Schicksale verliehen:
Ein Thier, das denkt! Das seinen Tod voraus weiß!
Glücksel'ger Wurm, beneidenswerter Vogel, –
Ihr ahnt sie nicht, die sichere Vernichtung:
Auch Opfer der Nothwendigkeit: – doch blind!
Doch du, o Mensch, verflucht, dein kommend Ende
Vorauszuwissen wie der Sterne Gang,
So unabwendbar! Du, o Mensch, gezwungen,
Dem Drang des Bluts zu folgen, wie der Stein,
Der fallen muß, und der du dennoch dich
Von jenem Spukgespenst, genannt »Gewissen«,
Mußt foltern lassen, gleich als wärst du frei!
Ein Stein, der es sich vorwirft, daß er fällt!

Und diese Menschen, die elender sind,
Als Stein und Kraut und jedes dumpfe Thier,
Die Unglückseligsten der Seienden, –
Sie, diese Menschen, die da fluchen sollten,
So oft sie athmen, dem der sie geschaffen:
Sie bauen ihm die Tempel seit Aeonen!
Der Inder thürmt den Fels ihm zum Altar,
In Marmorsäulen lobt ihn der Hellene,
Es wird der ganze Wald, der weite, selbst
Für Ihn ein rauschend Weihthum dem Germanen, –
Ihn grüßt der Halbmond fromm von der Moschee
Und von dem Dom das tief gehaßte Kreuz!

Ha, sieh! Da ragt im Mondlicht, riesengroß,
Sanct Peters Kuppel an dem Tiberstrom!
Was hält mich ab? Ein Schwung von diesem Schwert,
Und nieder stürzt der Bau des frommen Wahns,
Ja, selbst der Fälschung! Pseudo-Isidor,
Willst du dich messen, sprich, mit diesem Schwert?

Doch nein! – Was liegt an Rom und an den Menschen!
Auf, Lucifer! Empor zu höh'rem Sieg!
Den Himmel selbst erstürm' ich – und dies Schwert!
Laß seh'n, ob seine Engel Ihn beschützen
Und seine Heil'gen, die des Kampfes walten,
Ihn, den ich selbst noch niemals konnte schau'n.

Hinaus! Empor! Schon unter meinen Sohlen
Liegt aller Sterne dicht gereihter Reigen!
Schon leuchtet dort des Himmels goldnes Thor.
Wer will mich hemmen? Du, Martin von Tours?
Wer bist du denn? Ich kenne diesen Mantel
Und jenen Speer: dem Heidengotte Wotan
Hast du sie abgeborgt. Hinweg mit dir!
Ein Flickwerk bist du, aber nicht ein Held.
Hei, auseinander fallen seine Lappen
Bei'm ersten Blitze meines Schwertes schon.

Empor! Wer jetzt? Ei, du bist's Sanct Georg!
Ein Ritter willst du sein? Bist doch ein Grieche!
Und reitest auf entlehntem Schimmelhengst:
Auf Wotans Gaul! Nimm das! Da sieh! Er flieht.

Empor! Schon greif' ich nach des Himmels Thor.
Wer naht sich jetzt? Dies Flammenschwert, ich kenn' es!
Du, Michael? Einst hast du mich besiegt:
Jetzt aber frag' ich: Sprich, was ist ein Cherub?
Du bist nur ein Phantom der Einbildung.
Da sieh! Das traf! Verwundet flüchtet er,
Und hinter sich schloß er das goldne Thor.
Ich rüttle dran! Wie? Hält so fest der Riegel?
So hilf, mein Schwert: es ist die letzte Arbeit!

Michaël
(im Innern des Himmels vor Gottes Thron).
Zu deinen Füßen laß mich sterben, Herr.
Ich halt' das Thor!
Gott.
                              Erschließ es, Michael!
Wer mich so eifrig sucht, der soll mich finden.
Lucifer
(hat die Thüre gesprengt, dringt ein, das Schwert zückend.
Gott ist noch von einer goldenen Wolke verhüllt
)
.
Es blendet mich ein Glanz, ein ungewohnter,
Noch kann ich nicht die Wimper heben: – doch
In jener goldnen Wolke ahn' ich dich –,
Du Spuk, du Wahngebild des Aberglaubens,
Nichts rettet dich, du grausames Gespenst:
Vor diesem Schwert: – ich spalte dich entzwei,
In's Antlitz schau' ich dir –
(Er dringt in die Wolke und erschaut Gott.)
                                            Weh! Ich erblinde!
(Er stürzt nieder auf das Antlitz.)
O welche Hoheit! Unausdenkbar groß!
O welche Herrlichkeit von Glanz und Licht!
O Herr, laß mich von dieses Lichtes Fülle
Nur einen, einen Dämmerschein noch schau'n.
Gott.
Du sollst ihn haben. – Ahnung nenne ihn!
Lucifer.
Was bist du, Herr?
Gott.
Ich bin der Ewige. Nichts ist als ich.
Und ich bin auch in dir, sonst wärst du nicht.
Unendlich bin ich und bin unbegreiflich.
Lucifer.
O weh, mein armes Schwert! Ja, du sprichst wahr.
Du bist! Du bist! Und bist doch unbegreiflich!
Zerbrich, mein Schwert (er zertritt es in zwei Stücke)
                                      ein werthlos Spielzeug bist du.
Ich werf' dich weg: – nie rühr' ich mehr an dich.
Gott.
Nicht so, mein Sohn! Nimm dein zerbrochen Schwert
– Die Trümmer zwar sind nie mehr zu vereinen! –
Und auf der Erde brich, ein Blinder selbst,
Doch von der Wahrheit Glanze nur geblendet,
Den Menschen brich mit dem zerbrochenen Schwert
Zu mir, – dem Ewigen – die ew'ge Bahn!

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