Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Der Jupiter des Capitols.

        In des Capitoles Cella ruhte hoch auf goldnem Thron
In der ahnungsvollen Mondnacht, sinnend wach, des Chronos Sohn.

Lässig in der Rechten hielt er den herabgesenkten Blitz,
Lauschend sah der treue Adler aufwärts von dem Stufensitz,

Sah besorgt dem Herrn in's Auge. – denn ein dunkler Schatte lag
Auf der Majestät der Stirne, sonst so sonnig wie der Tag.

Und der hohe Gott gedachte, wie er ein Jahrtausend lang
Seine Lieblinge, die Römer, fort von Sieg zu Siege schwang. –

Horch, da dröhnt es durch die Marmorhallen, und mit ehernem Schritt
Stürmend, rasend vor den Vater Mars behelmten Hauptes tritt.

»Jupiter,« so schreit er, »Rächer! Wie, du weißt nicht, was geschah?
Thronest noch an dieser Stätte, dem entweihten Tiber nah?

Schirmest noch die Undankbaren, denen du geschenkt die Welt?
Vater, schleudre deine Blitze, bis der letzte Römer fällt!

Vater, her aus Gallien flieg' ich: dieses Auge hat's gesehn:
Nimmer werden die Legionen unter deinem Adler gehn!

Bei Colonia Agrippina, dort am Rhein, im Feld von Deutz,
Hat der Kaiser Constantinus als Panier gewählt – das Kreuz!

Von den goldnen Fahnenstangen, drauf sie tausend Siege sahn,
Riß er nieder deine Adler – Vater: mach es ungethan!

Schleudre deiner Rache Blitze, bis vertilgt der Frevler Spur
Und ein neu Geschlecht Quiriten zeuge die Latiner-Flur.«

Einmal zuckte nur des Donnrers Rechte leise an dem Blitz:
Dann erhob er majestätisch groß sich von dem Herrschersitz.

»So erfüllst du, Sohn Maria's, wirklich des Prometheus Drohn:
›Jupiter wird ewig herrschen, naht nicht einer Jungfrau Sohn.‹

Nicht zerschmettern, – tiefer strafen will die Wölfin ich des Kriegs:
Rom verläßt für immer heute Jupiter, der Gott des Siegs.

Heuchelei und Feigheit schlagen Rom in tiefster Schande Sumpf:
Nie mehr fährt zum Capitol der Imperator im Triumph.

Auf, mein Adler! Zum Olympos fliege rauschend mir voraus:
Seine stolzen Wolkenhöhen wähl' ich mir zum Tempelhaus.

Unsre Rächer, Mars, sie nahen: reuvoll denket unser Rom,
Wann der blonde Gothenkönig tränkt sein Roß im Tiberstrom.«


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