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siehe Bildunterschrift

Gemeine Heide, Callúna vulgáris Salisb.

»Tiefe Einsamkeit umgiebt uns, eine Einsamkeit, die dennoch ein wunderliches Leben aufzuweisen hat. Rot blüht die Heide, herrlich rot; um die duftenden Blüten flattern Tausende von zierlichen, braunen Schmetterlingen, deren Flügel mit zahlreichen Augen besetzt sind. Die Bienen summen in Scharen umher, emsig Honig suchend, den die Heideblüten bieten. Kleine graue Grashüpfer springen um unsere Füße; hier und da schwirrt plötzlich eine größere Heuschrecke mit leuchtend roten Hinterflügeln aus dem Heidekraut in die Luft, um schnell genug wieder herabzufallen; Spinnen und Käfer kriechen umher, und schlanke Eidechsen huschen behende um Heidebüsche. Kein Vogel ist hier zu sehen; in weiter Ferne nur fliegt langsam ein Krähenpaar von einem Walde zum andern.«

Ein Hauch wehmütiger Poesie liegt über diesen endlosen bienendurchsummten Gefilden, einer Poesie, die uns aus den Liedern und Erzählungen unserer großen Heidedichter, Theodor Storms und Klaus Groths, Annettes von Droste-Hülshoff und Hermann Allmers, anweht, die aber so recht im innersten Herzen nur der empfunden haben kann, der selbst Tage voll süßer Träumerei im duftenden Heidekraut zugebracht hat.

Unsere Heidekräuter, die gemeine Heide und die prächtigeren Glockenheide-Arten, sind niedrige, tief und weit wurzelnde Halbsträucher mit ausdauernden, immergrünen Stämmchen. Die nadelförmigen, kleinen Blättchen der ersteren stehen dachziegelig in vier dichten Reihen nebeneinander. Ihre hell- oder purpurroten Blüten stehen an den Zweigenden in länglichen, unregelmäßigen Trauben und sind größtenteils nach einer Seite gewendet. Die kleine, tief eingeschnittene Blumenkrone verschwindet gegenüber dem großen, gleichgefärbten Kelch, den man bei oberflächlichem Schauen um so leichter für die Krone hält, als vier Deckblättchen an seinem Grunde einen zweiten, den Außenkelch, vortäuschen. Die Staubblätter sitzen auf einer gefurchten, Nektar absondernden Scheibe und neigen sich mit schwanenhalsartiger Krümmung dem Griffel zu, an den sich die Antheren so anlegen, daß die Narbe über sie hinausragt. An der Basis jedes Antherenfachs befindet sich ein kleines Anhängsel, ein Merkmal der ganzen Ordnung, zu der die Heidekräuter gehören, der Zweigehörnten oder Bicornes. Nach dem Aufblühen neigen die im Knospenzustande aufgerichteten Glöckchen sich mit den Öffnungen abwärts, so daß der Regen den Pollen nicht fortwaschen und den Honig nicht verwässern kann. Dann ist die weite Heide ein reichgedeckter Tisch, dessen der Heidbauer sich freut, und »die Bienen hängen Zweig um Zweig sich an der Edelheide Glöckchen.« Der eindringende Saugrüssel stößt an die Hörnchen, die Antheren werden erschüttert und lassen einen Teil ihres Pollens auf den Pelz der Näscherin fallen, die ihn in der nächsten Blüte an der hervorragenden Narbe abstreift. Es kommt jedoch auch vor, daß tagelang anhaltende ungünstige Witterung alle Besucher fernhält; dann vertraut das Heidekraut seinen Pollen dem Winde an, und es wird aus der insektenblütigen eine windblütige Pflanze. Die Fruchtkapsel besteht aus vier Fächern, jedes mit mehreren kleinen Samen, für deren Aussaat der Wind sorgt. Hart und unverwüstlich, wie das ganze Pflänzchen ist auch der die Fruchtkapsel umschließende Kelch, der in seiner roten Färbung noch im folgenden Frühling den Eindruck einer frischen Blüte macht. Deshalb glaubte man früher, die Heide blühe zweimal, im Frühling und im Herbst – »ist also – nach Fuchs – vnder den wilden gewechsen das erst vnb das letzst, so blüet.«

Heidekrautgewächse, Ericaceen. Kl. VIII. Holzgewächs. August – Oktober. H. 0,30 bis 1,00 m. – Salisb. = Salisbury.

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