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siehe Bildunterschrift

Nickende Distel, Cárduus nútans L.

An Schönheit, Größe und Wohlgeruch der nach Ruchgras duftenden Blüten wird die nickende Distel wohl kaum von einer ihrer Schwestern erreicht. An Höhe bleibt sie hinter der krausen Distel zurück, ist aber noch wehrhafter als diese. Die tief fiederspaltigen Blätter breiten die Dornen der Blattränder seitwärts, vor- und rückwärts aus und bilden, am Stengel herablaufend, an diesem schmale, sehr stachelige Flügelränder. Die großen, purpurroten, etwas nickenden Blütenköpfchen sind von den starren, über dem Grunde etwas zusammengeschnürten und deshalb wagerecht abstehenden dornigen Hüllblättchen umgeben wie ein Söldnercarré von den Spitzen seiner Lanzen. Diesen Wall übersteigt keine Schnecke, keine Raupe, keine Ameise. Aber ganz frei von Plagegeistern ist die Pflanze trotz ihrer Wehrhaftigkeit nicht; auf den Blattspreiten spazieren sehr häufig Käferlarven umher, die sich durch einen aus ihren eigenen Exkrementen erbauten Schirm unkenntlich machen und schützen.

Die reichblühenden Büsche der nickenden Distel sind der Tummelplatz einer bunten Schar von Gästen. Neben dem Distelfalter, dem großen Kohlweißling, der Gamma-Eule und anderen Schmetterlingen finden sich Honigbienen, Wespen, Moos- und Erdhummeln nebst verschiedenen Fliegen und kurzrüsseligen Bienen hier ein. Das allmähliche Aufbrechen aller Blüten eines Körbchens nimmt mindestens eine Woche in Anspruch. Zuerst öffnen sich die äußersten Reihen der Röhrenblütchen und lassen den Pollen aus der von den fünf Antheren gebildeten Röhre hervortreten. Schiebt man einen spitzen Gegenstand, eine Borste oder dergl. in die fünfteilige Blumenkrone bis zum Honig herunter, so werden die Antheren herabgezogen und größere Pollenmassen emporgedrängt, denen die unterhalb der Griffelspitze sitzende Bürste den Weg nach unten versperrt. Der Griffel wächst langsam empor, und zugleich bürstet der Haarkranz allen Staub aus der Antherenröhre. Die beiden Narbenschenkel aber bleiben vorläufig noch geschlossen. So öffnen sich täglich einer bis drei Umkreise von Röhrenblüten, bis die Mitte erreicht ist. Noch immer sind sämtliche Narben geschlossen. Nun erst, nachdem der letzte Pollen herausgefegt und abgetragen ist, öffnen sie sich, und die Blütenköpfe sind zur Befruchtung bereit, die nun allein noch durch Fremdbestäubung möglich ist.

Die glatten Schließfrüchtchen sind mit einer aus einfachen Haaren bestehenden Federkrone versehen. Während des Ausreifens der Samen wird der ganze Fruchtstand durch die inneren Hüllblättchen vor Wind und Regen geschützt. Aber auch die reifen Früchtchen genießen noch des Schutzes dieser Hüllblätter. Bei trockenem, warmem Wetter breiten sie sich aus, so daß der Wind die Früchte bei den Federschöpfen fassen und davonführen kann. Sowie aber nasses Wetter eintritt und die Gefahr droht, daß der Regen die Haarkrone verklebt und den Flugapparat verdirbt, biegen sie sich nach dem Köpfchen zu ein und legen sich fest um die Samen und Kronen. Diese Schmiegsamkeit beruht auf dem Vorhandensein feuchteempfindlicher (hygroskopischer) Zellenschichten in den Hüllblättchen. – Bekanntlich haben manche Vögel, wie der danach benannte Distelfink, eine große Vorliebe für die Distelsamen und fallen bei schönem Wetter in Scharen über die reifen Köpfchen her, anscheinend zum Schaden der Nachkommenschaft der Distel. In Wirklichkeit lockern sie jedoch durch ihr Picken zwischen den Früchtchen den dichtgedrängten Bestand derselben in willkommener Weise, so daß, nachdem der Fink wenige herausgepickt hat, der Rest desto leichter mit dem Winde davongehen kann. Sowie ein fliegender Distelsame irgendwo anstößt, löst sich die Haarkrone von ihm, er fällt zu Boden und muß nun sehen, ob das Schicksal ihn weich gebettet oder zum Verderben bestimmt hat.

Vereinblütler, Compositen. Kl. XIX. zweijährig. Juli, August. H. 0,30 bis 1,00 m.

 


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