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siehe Bildunterschrift

Gemeiner Spargel, Aspáragus officinális L.

Einen merkwürdigen Anblick bieten im Juni und Juli die Spargelbeete im Garten. An den hohen grünen Stämmchen sitzt allseitig ausgebreitet fadenförmiges Laub, an dem kleine Glöckchen von gelblicher Farbe und etwas später rote Beeren hängen. Blüten und Beeren am Laube? Das ist zwar nicht unmöglich, denn es giebt in der That Blätter, welche Blumen und Früchte tragen; aber der Spargel gehört nicht zu ihnen. Der Schein trügt hier. Sehen wir den Hauptstamm genau an, so gewahren wir zerstreut an ihm kleine, farblose Schüppchen, in deren Achsel die grünen Seitentriebe entspringen. Jene sind zurückgebildete Blätter; das fadenförmige Grün aber besteht aus unfruchtbaren Blütenstielen und hat mit den Trieben und Seitenästen die Ernährung der Pflanze übernommen, welcher die chlorophyllosen Blattreste nicht zu dienen vermögen. Aber noch mehr: auch die senkrecht emporwachsenden Hauptstämme tragen diesen Namen zu Unrecht. Denn sie sind eigentlich nur die Seitenäste des wagerecht im Boden verharrenden Hauptsprosses, des Wurzelstockes oder Rhizoms, der nach oben Knospen und Zweige, seitwärts und abwärts Wurzeln entsendet. Außerdem verzweigt jedes Rhizom sich noch unter der Erdoberfläche. Daß dieses Spargelrhizom Stengel und nicht Wurzel ist, beweisen die kleinen, schuppenförmigen Blattgebilde, die es trägt, und die an einer Wurzel niemals entstehen.

Nachdem die grünen Spargeltriebe während des Sommers die Ernährung der Pflanze besorgt und die zur Fruchtbildung nötigen Stoffe geliefert haben, entsenden sie gegen den Herbst die noch nicht verbrauchten Säfte zum Wurzelstock hinab, der sie als Reservestoffe zur Bildung neuer Sprosse im nächsten Frühling aufspeichert. Der Mensch weiß jedoch seit alter Zeit die in den jungen Schößlingen aufgehäuften Nährstoffe auch zu schätzen und raubt sie dem Mutterstock, noch bevor sie das Licht erblickt und Chlorophyll entwickelt haben. »Die seüdt (siedet) man vnnd bereyts mit essig, saltz vnnd öl zu einem salat«, sagt Leonhart Fuchs, während man sie heute wohl mehr mit Butter angerichtet genießt. Das Spargelrhizom läßt neue Knospen sprießen und durch die über ihm aufgehäufte Erde dringen. Es kämpft um seine Existenz; denn wenn ihm nicht gelingt, über dem Boden grüne Triebe zu entfalten, ist es verloren und muß aus Mangel an Nahrung bald zu Grunde gehen. Zwei Monate hindurch ringt es so vergebens, bis ihm die Juniwärme zu Hilfe kommt. Nun bilden sich an den Sprossen schon in der Erde verholzende Wandungen aus, deren Gefäßbündel die unterirdische Feuchtigkeit besser leiten und die Triebe vor dem Austrocknen bewahren. Das macht sie für den Menschen ungenießbar; er läßt der Pflanze nunmehr Ruhe bis zum folgenden Jahre. Da ganz junge Pflanzen diesem Kampf nicht gewachsen wären, so schneidet man den Spargel erst vier Jahre nach Anlage des Spargelbeetes, also etwa 6 Jahre nach Aussaat der Samen. Bei guter Düngung und Auflockerung der Beete liefert er dann aber auch 12 bis 15 Jahre lohnenden Ertrag.

Der Spargel gehört zu den Zweihäusigen des Linnéschen Systems, d. h. männliche und weibliche Blüten sitzen auf verschiedenen Stöcken. Er ist ein Beispiel dafür, daß die getrennten Blüten aus Zwitterblüten hervorgegangen sind, indem die Blüten des männlichen Stockes noch einen deutlichen Rest des Stempels, die weiblichen Blüten aber zwar nutzlose, doch noch recht deutliche Überbleibsel von Antheren besitzen. Bisweilen treten durch Rückschlag sogar wirkliche Zwitterblüten auf. Der eigentümliche Duft und der im Grunde der Glöckchen abgesonderte Honig führen den Blüten trotz ihrer Unscheinbarkeit zahlreiche Besucher zu, unter denen sich die Honigbiene, die Lappen- oder Tapezierbiene, die rotbraune Mauerbiene und die Maskenbiene hervorthun. Die Pollenblüten, welche doppelt so lang wie die weiblichen und daher auffälliger als diese sind, werden zuerst besucht, ihr Pollen dient dann zur Bestäubung der später besuchten Griffelblüten. Aus diesen entwickeln sich die scharlachroten Beeren, die von den Vögeln gern gefressen werden. Sie verbreiten den Samen in Hecken, Gebüschen, Weinbergen; besonders gern wächst die Pflanze auf sandigem, leichtem Boden, auch auf den Dünen am Ufer des Meeres findet man sie nicht selten. Zur Zeit der Kontinentalsperre wurden die schwarzen Spargelsamen, die zu 1 bis 2 in den drei Fächern der Kerne sitzen, geröstet als Ersatz des Kaffees benutzt. Ihr Geschmack soll dem des Kaffees täuschend ähnlich sein.

Liliengewächse, Liliaceen. Kl. VI. ausdauernd. Juni, Juli. H. 0,60 – 1,25 m.

 


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