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siehe Bildunterschrift

Gemeine Tollkirsche, Átropa Belladónna L.

Zumeist in schattigen Bergwäldern, jedoch auch in der Ebene, z. B. in der unmittelbaren Nähe der Reichshauptstadt, wächst das »Dollkraut«, die Tollkirsche, von den galanten Italienern Belladonna, schöne Frau, genannt, weil der Saft ihrer Beeren früher als Schminke diente. Atropa, die Unabwendbare, heißt sie im Anklang an die dritte Parze, die den Lebensfaden mit derselben Unerbittlichkeit abschneidet, wie die Tollkirsche beim Genuß ihrer Früchte. Sollen wir sie darum verabscheuen, ja auch nur tadeln? Jedes Wesen wehrt sich im Daseinskampf, so gut es kann, und dem Tollkraut ist zur Verteidigung seines saftigen Laubes gegen die Naschhaftigkeit weidender Zweihufer kein anderes Mittel gegeben als der Giftstoff seiner Blätter und Blüten. Sie lassen's daher auch unberührt, während es für ein Käferchen, die Haltica Atropae, die wichtigste Nahrung bildet. Die zahlreichen Löcher, welche seine Larven hineinfressen, können freilich die Entwickelung des Strauches nicht hemmen, während der Zahn der Wiederkäuer ihn mit Stumpf und Stiel ausrotten könnte. Ebenso ist der für den Menschen äußerst giftige Kern für manche Vögel, z. B. Drosseln, völlig ungefährlich; sie nützen der Pflanze durch Verbreitung der Samen, die ihren Leib passiert haben.

Im Schatten wachsend ist die Tollkirsche genötigt, das ihr zukommende Lichtquantum soviel wie möglich auszunutzen, und sie thut das durch eine merkwürdige Anordnung des Laubwerks. Ihre wechselständigen Blätter lassen infolge ihrer Gestalt zwischen einander und dem Pflanzenstengel einen beträchtlichen Raum, und dieser wird durch je ein kleineres, neben dem großen entspringendes Blatt ausgefüllt. Bei wagerecht liegenden Zweigen entsteht durch diese Einschaltung eine völlige Blattmosaik, die ihrem Zweck, das spärliche Licht auszunutzen, besser entsprechen kann als zerstreut und unregelmäßig stehende Blätter. In den Blattwinkeln entspringen die schmutzig-violetten Blüten, aufwärts gerichtet, solange die Knospe geschlossen ist, auf gekrümmtem Stiele nickend, sobald sich die glockenförmige, fünfzipfelige Blumenkrone entfaltet. Durch diese Stellung ist für den Schutz des Pollens gegen Benetzung gesorgt. Der am Grunde des Glockenkelches abgesonderte Honig ist durch ein Haarpolster am unteren Ende der Staubblätter gegen unberufene Gäste verwahrt. Zur Sicherung der Fremdbestäubung dient ein Wechsel in der Stellung der Blütenteile; in der jungen Blüte steht die Narbe in der Mitte des Eingangs, während die Antheren an die Wand der Blumenkrone gelehnt sind, in der älteren stehen letztere in der Hütte und der Griffel an der Wand. Die Befruchtung folgt der Bestäubung sehr schnell, und wenige Stunden nach der letzteren löst sich der Griffel vom Fruchtknoten und fällt zu Boden. – Für die Heilkunde ist das Gift der Tollkirsche, das Atropin, wichtig, da es, ins Auge geträufelt, die Pupille erweitert und Augenoperationen erleichtert.

Nachtschattengewächse, Solanaceen. KI. V. ausdauernd. Juni, Juli. H. 0,60 – 1,25 m.

 


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